Ich muss dir etwas sagen
Anfänger vorsprechen müßte. Als der Agent Joe also aufforderte, zum Vorsprechen zu gehen, hörte dieser folgende Botschaft: „Du bist ein Niemand in diesem Geschäft, und das wirst du immer bleiben.” Ich denke allerdings, daß der Agent es mit Rücksicht auf Joes Erwartungen so hätte
formulieren können, daß dieser den Wunsch der Produzenten
besser hätte deuten und einordnen können.
Anzeichen für Erwartungen
Es gibt ein paar Fragen, die es erleichtern, die Erwartungen des anderen einzuschätzen:
► Welche Hoffnungen oder Träume hat der Betreffende in dem Bereich, den Sie ansprechen wollen?
► Gibt es Situationen, in denen er sich besonders sicher fühlt?
► Gibt es dabei etwas, worauf er besonders stolz ist?
► Hat er Pläne, die von Ihrer Wahrheit durchkreuzt werden?
► Wie sieht die Person Sie oder die Beziehung in dieser
Hinsicht?
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Auch hier hilft das bewährte Motto weiter: Wer die Wahrheit äußert, sollte die dadurch geweckten Bedürfnisse befriedigen.
Eine enttäuschte Erwartung ist einfach ein weiteres Bedürfnis.
Lösungsansätze
Falls zutreffend, kann man dem anderen zu verstehen geben, daß seine Erwartungen keineswegs enttäuscht wurden, auch wenn er vom Gegenteil überzeugt ist. Als der Agent meines
Bekannten zum Beispiel hörte, daß Joe so enttäuscht war, daß er daran dachte, aus dem Beruf auszusteigen, erzählte er ihm
Episoden von großen Stars, die noch immer vorsprechen
müssen. Oftmals können Homosexuelle nach dem Coming-out
bei ihren Eltern über einen Kinderwunsch reden und ihnen
aufzeigen, daß sie doch noch Großeltern werden könnten. Wer eine Hochzeit aufschiebt, kann zugleich auf unmißverständliche Art klarmachen, daß er die Ehe wirklich wünscht.
Ich hätte das mit meiner Frau tun können. Ich hätte darauf hinweisen können, daß mein Interesse an „der anderen” die
Erwartungen meiner Frau, wir seien etwas ganz Besonderes und nur füreinander bestimmt, lediglich scheinbar durchkreuzten, weil sich für mich nämlich nichts geändert hatte. Vielleicht war ich dumm und unrealistisch, möglicherweise fühlte ich mich zurückgewiesen, aber trotz der Tatsache unserer angespannten Beziehung, wollte ich nie etwas tun, was unserem
Grundkonsens zuwiderlaufen würde.
Daß ich etwas gestand, was ich keineswegs hätte gestehen
müssen, war Beweis genug. Das alles hätte ich ihr ohne weiteres deutlich machen können, wenn ich zuvor an ihre enttäuschten Erwartungen gedacht hätte.
Oft ist es auch möglich, aufzuzeigen, daß andere Erwartungen genauso vernünftig und gut wären. Menschen, die sich etwa von einem Partner trennen, machen das, indem sie sagen: „Laß uns Freunde bleiben.” Selbst wenn es ein Klischee ist, ist, es in
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manchen Fällen, wo die Gefühle echt und die Möglichkeiten
gegeben sind, besser, gute Freunde statt ein schlechtes Paar zu sein.
Mein Bekannter erzählte mir, wie viele Schauspieler nach
Hollywood pilgern in der Hoffnung, eine große romantische
Hauptrolle zu bekommen - sie wollen die neue Sharon Stone
oder der neue Harrison Ford werden. Das Problem ist nur, daß diese Hoffnung fast immer enttäuscht wird. Weise Agenten
überbringen ihren Klienten die schlechte Nachricht manchmal, indem sie ihnen helfen, Charakterschauspieler zu werden. Man wird vielleicht nicht so berühmt, hat aber immer Arbeit und interessante Rollen.
Wo die Wahrheit also eine Erwartung zerstört, versuchen Sie, andere Erwartungen aufzudecken, die dem Betreffenden
genauso wichtig, aber realistischer sind, denn so helfen Sie ihm eher über den Verlust hinweg. Menschen hassen es, kritisiert zu werden, weil sie sich nicht mehr respektiert fühlen. Neben der Kritik sollte man also immer erwähnen, wieviel offener und ehrlicher die Beziehung nun geworden ist. Damit schafft man neue Hoffnung.
Enttäuschte Erwartungen lassen sich auch durch das Angebot einer Kompensation entschärfen. Kompensation ist, genauer
betrachtet, ein Geschenk. Die billigste Art der Kompensation -
und eine äußerst effektive - ist die Entschuldigung. Man sagt, man wolle die Hochzeit verschieben und entschuldigt sich dafür.
Das liegt vielleicht auf der Hand, aber als ich meiner Frau mein Geheimnis beichtete, habe ich das übersehen. Ich hatte Angst, mit einer Entschuldigung anzudeuten, etwas Schlechtes getan zu haben. Keine Entschuldigung, also kein Unrecht. Damals war mir nicht klar, daß eine ernsthafte Entschuldigung
Kompensation für einen Verlust
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