Ich muss dir etwas sagen
meiner Frau und mir genährt.
Die wichtigste, schwierigste Wahrheit, die ich aussprechen mußte, hatte etwas mit meinen Bedürfnissen, Gedanken und
Gefühlen unsere Ehe betreffend zu tun. Als ich aber das Thema der „anderen Frau” zur Sprache brachte, öffnete ich
Mißverständnissen Tür und Tor und schadete damit uns beiden.
Die Geschichte des Bauern
Hier ein Beispiel für eine Wahrheit, die gar keine ist. Ich habe einen Freund, der Bauer ist. Der Wind hatte einen großen Ast auf sein Scheunendach geworfen, und er wollte ihn entfernen.
Dabei war er nicht vorsichtig, und als er kräftig an dem Ast zog, gab dieser plötzlich nach und traf ihn am Kopf. Er fiel beinahe vom Dach und hätte sich dabei schwer verletzen können. Seine Frau war arbeitslos. Wenn er nichts verdienen würde, hätten sie keinerlei Einkommen mehr.
Er zermarterte sich den Kopf, ob er es seiner Frau erzählen sollte, bis ihm klar wurde, daß es faktisch nichts zu erzählen gab. Würde diese Geschichte seine neue, sorglose Einstellung zum Ausdruck bringen und daß man sich nicht mehr auf ihn
verlassen konnte? Nein. Zeigte diese Geschichte, wie brüchig ihre Beziehung inzwischen geworden war, wie dünn das Eis
war, auf dem sie sich bewegten? Vielleicht, aber das war nichts Neues. Ihre finanzielle Lage war ihnen beiden nur zu gut
bekannt, und es war schon immer klar, daß sie nur eine kleiner Ausrutscher vom Desaster trennte.
War dies eine Geschichte, die ein offener und ehrlicher Mann nun einmal erzählt? Nun, er hatte es mir, seinem Freund, erzählt.
Aber erzählt man seiner Frau Dinge, die nichts anderes
bewirken können, als ihr Angst zu machen?
Das bedeutete hier: Wenn mein Freund die Sache für so
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wichtig hielt, sie seiner Frau zu erzählen, müßte sie daraus schließen, es handele sich auch tatsächlich um eine wichtige Sache. Sie könnte überreagieren, und ihre Beziehung würde
schwer belastet, es würde Konflikte gegeben, die sie beide nicht brauchen konnten, und das alles wegen eines Vorfalls, der sich so gar nicht ereignet hatte.
Die Faustregel sollte also lauten: Bevor man beschließt, seine Wahrheit zu sagen, sollten man sich vergewissern, daß es auch wirklich eine gibt, die man unbedingt erzählen muß.
Frage 12:
Was ist in der Vergangenheit geschehen, wenn Sie der
betreffenden Person etwas Ähnliches erzählt oder
verschwiegen haben?
Wir wollen einmal annehmen, Sie möchten Ihrer Mutter etwas sagen, die seit jeher auf die leiseste Kritik unwirsch reagiert. In diesem Fall gehen Sie bei der Entscheidung, ob Sie darüber sprechen sollten oder nicht, davon aus, daß sie auch diesmal so reagieren wird.
Da Sie in der Vergangenheit immer mit Ihrer Wahrheit
herausplatzten, ohne vorher nachzudenken, müssen Sie ihr nun die Chance geben, anders zu reagieren, und außerdem wissen Sie jetzt, wie man Wahrheiten umsichtig äußert. Bei Ihren
Überlegungen fällt Ihnen auf, daß es vielleicht gar nicht Ihre Kritik war, über die die Mutter sich aufregte, sondern die Art und Weise, in der Sie sie äußerten - vielleicht klang es immer ein wenig respektlos. Da Sie sie nun aber unterstützen und Ihre Kritik von jeglicher Respektlosigkeit frei ist, sind die Chancen nicht gering, daß sich auch ihre Haltung ändert.
Man sollte vor allem nicht davon ausgehen, jemand wolle die unangenehme Wahrheit nicht hören, bis man die eigene Fähigkeit, sie zu äußern, optimiert hat. Aber was dann? Wie
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kann man sicher sein, daß frühere unbefriedigende Reaktionen nicht jeden aktuellen Versuch nutzlos machen?
Die Zukunft voraussagen
Sie können darauf achten, welche Wünsche die betreffende Person direkt äußert. Oft sagen Leute - oder man hört es aus ihren Aussagen heraus -, daß sie nicht kritisiert werden möchten, keine schlechten Nachrichten vertragen können und nichts von Ihren geheimen Verstrickungen wissen wollen.
Eine Frau versuchte, sich umzubringen, nachdem ihr Mann ihr eine Affäre gestanden hatte. Es zeigte sich, daß dies ihre zweite Ehe war und sie ihm bereits ganz zu Anfang der Beziehung
gesagt hatte, er sollte sie niemals betrügen, und wenn er es doch täte, daß sie es auf keinen Fall wissen wollte.
Wenn Sie nicht wissen, was Ihr Gegenüber will, fragen Sie
doch einfach konkret danach. Beispielsweise: „Soll ich dich unter keinen Umständen kritisieren?”
Beachten Sie auch den zeitversetzten Nutzen. Oft reagieren Menschen kurzfristig unwirsch, aber langfristig gut; Teenager etwa, reagieren
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