Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich muss dir etwas sagen

Ich muss dir etwas sagen

Titel: Ich muss dir etwas sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Foster
Vom Netzwerk:
hatte gerade mit einem Mann geschlafen,
    -71-
    den sie noch vom College her kannte. Sollte sie es Bob nun erzählen, dem Mann, den sie in etwa zehn Stunden heiraten
    wollte? Es gab dabei so vieles zu bedenken. Wir konzentrierten uns darauf, was es Bob kosten würde, wenn er es nicht erführe.
    Ich meinte: „Du mußt dir selber gegenüber ehrlich sein, Patricia.
    Hast du lediglich deine letzte Chance wahrgenommen? Handelt es sich also um eine einmalige Sache, die keine langfristigen Konsequenzen hat? Anders gesagt: Ist es kein Gefahren zeichen? Oder markiert diese Nacht den Anfang eines
    Untreueprogramms, und weist sie auf irgend etwas hin, was dir in eurer Beziehung fehlt? Sollte Bob sich also lieber auf harte Zeiten einstellen?”
    Patricia schwieg sehr, sehr lange. Schließlich sagte sie: „Ich bin sehr glücklich mit Bob. Ich kann mir nicht vorstellen, ihm untreu zu sein, wenn wir erst einmal verheiratet sind. Ich habe noch nie zuvor mit einem Mann geschlafen und wollte einfach nicht, daß Bob der einzige ist, mit dem ich jemals Sex hatte. Ich denke, es würde Bob sehr weh tun, wenn er etwas davon
    erführe, aber ich denke nicht, daß er mir in dreißig Jahren sagen wird, er wünschte, ich hätte es ihm damals erzählt.”
    Es war ein schwieriges Gespräch, denn es handelte sich ja
    eigentlich um ein Ereignis, über das Bob Bescheid wissen sollte.
    Aber es war ihre Entscheidung. Und es war fraglich, ob diese Nacht Konsequenzen für Bob haben würde. Patricia war
    überzeugt, daß ihre Handlungsweise nur etwas mit ihrer
    Vergangenheit zu tun hatte und damit, vor dem neuen
    Lebensabschnitt klar Schiff zu machen, und daß sie außerdem keinerlei Konsequenzen für die gemeinsame Zukunft mit Bob
    haben würde.
    Wie jeder Mensch, der entscheiden muß, ob er eine Wahrheit erzählt oder nicht, spielte Patricia Gott. Ich bat sie daher, sich zu vergewissern, daß sie wie eine weise und freundliche Göttin handelte. Weil sie eine recht bewußte Frau ohne Hang zu
    Selbstbetrug war, war es höchstwahrscheinlich richtig, es Bob
    -72-
    zu verschweigen. Ich sah es als Zeichen ihres guten Willens und als Versuch, das zu tun, was für alle Beteiligten das beste war.
    Aber mal angenommen, Sie befänden sich in der gleichen
    Situation und hätten beschlossen, es zu verschweigen, wie
    würden Sie die nun folgende Frage beantworten:

    Frage 9:
    Können Sie die Wahrheit, die Sie jetzt verschweigen, auch noch zu einem späteren Zeitpunkt erzählen?

    Ich sagte Patricia, daß ich ihre Entscheidung voll und ganz akzeptierte, aber daß sie es Bob für immer verschweigen müßte, wenn sie es ihm jetzt nicht erzählte. Die Entscheidung, jetzt zu schweigen, bedeutete, für immer zu schweigen, denn in solchen Dingen ist der Zeitpunkt essentiell. Wenn Bob es vor der
    Hochzeit erfuhr, konnte er noch beschließen, sie abzusagen.
    Aber wenn Patricia es ihm beispielsweise in einem Jahr erzählte, hätte er neben dem zusätzlichen Schmerz auch noch das Gefühl, übervorteilt worden zu sein.
    Es gibt natürlich auch Sachverhalte, bei denen man durchaus damit warten kann, die Wahrheit zu erzählen. Manchmal ist dies sogar bedeutend besser. Wie entscheidet man aber, was besser ist?
    Es geht immer um den Zeitpunkt. Bei Patricia hätte eine Verzögerung die Sache schlimmer gemacht, weil sie mit einer unmittelbar bevorstehenden Entscheidung von Bob
    zusammenhing, ob er sie nämlich noch heiraten wollte oder
    nicht. Wenn sie es ihm nicht rechtzeitig sagte, würde ein
    späteres Geständnis dem Schmerz noch eine Kränkung
    hinzufügen.
    Die Wahl des richtigen Zeitpunkts ist für alle Menschen
    schwer, ob es sich nun um Komödianten oder Staatsmänner
    -73-
    handelt. Es hilft jedoch, wenn wir uns in die Lage des
    Gegenübers versetzen. Wir sind ja sowieso schon unschlüssig und warten bei unangenehmen Dingen lieber erst einmal ab.
    Aber an dieser Stelle lautet die entscheidende Frage nicht, ob es für uns selber, sondern ob es für den anderen besser ist.
    Sie läßt sich eigentlich ganz leicht beantworten, wenn wir uns eine kleine Spielszene vorstellen. Mal angenommen, Sie
    erzählen es nicht jetzt, sondern warten noch eine Weile. Können Sie sich vorstellen, der Betreffende sagt, nachdem Sie die Wahrheit irgendwann später erzählt haben: „Ich bin froh, daß du mir das erst jetzt erzählst”, oder hören Sie ihn vielmehr sagen:
    „Warum hast du mir das nicht eher gesagt?” Wenn Sie ernsthaft meinen, er oder sie würde letzteres sagen, müssen Sie

Weitere Kostenlose Bücher