Ich muss dir etwas sagen
Sie die Wahrheit erzählen? Erstens gilt es zu bedenken, wer sonst noch von Ihrem Geständnis erfahren wird. Sie müssen davon
ausgehen, daß Ihre Partnerin die Angelegenheit mit anderen bespricht. Vielleicht erzählt sie es den Kindern. Möglicherweise redet sie mit Ihrer Mutter darüber. Sie könnte es Ihren
gemeinsamen besten Freunden erzählen. Sie könnte es
jemandem erzählen, mit dem Sie zusammenarbeiten. Damit will ich nicht sagen, daß das auch geschehen muß, aber Sie sollten damit rechnen.
Zweitens gilt es zu bedenken, wer davon betroffen sein wird, wenn die Sache schiefläuft. Ein Geständnis, an dem die
Beziehung oder Ehe zerbricht, kann katastrophale Folgen für die Kinder oder Ihren Arbeitsplatz haben.
Sie sollten grundsätzlich davon ausgehen, daß Ihr Geständnis bekannt wird in den Kreisen, in denen Sie sich bewegen, und Wellen schlagen wird. Wollen Sie das?
Kennen Sie die Wahrheit, die Sie gestehen wollen, so gut, daß sie nicht mißverstanden wird? Wenn Sie eine Affäre hatten, müssen Sie sich klarmachen, was tatsächlich geschehen ist und
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was das für Sie bedeutet. War es eine Romanze mit sexuellen
„Obertönen”? Hatten Sie auf einer Geschäftsreise Sex mit einer Zufallsbekanntschaft?
Waren Sie betrunken, und es kam deshalb zu Sex? War die
sexuelle Erfahrung gut oder schlecht, oder war sie ganz anders als mit Ihrem Partner? War die Affäre das Resultat einer
Verliebtheit, oder entstand sie, weil Sie Ihren Partner nicht mehr richtig lieben, oder hatte es überhaupt nichts mit Liebe zu tun?
Sie sollten die Antworten zu diesen und ähnlichen Fragen ganz genau kennen, denn wenn Sie wissen, was Sie wirklich sagen wollen, ändern Sie vielleicht Ihre Entscheidung, es zu gestehen.
Wenn Ihnen beispielsweise klar wird, daß die Affäre sehr
romantisch war, dann täuschen Sie sich, wenn Sie meinen, mit der Aussage „Es war rein sexuell” davonzukommen. Der
romantische Aspekt wird nicht verborgen bleiben, und dann
haben Sie nicht nur ein vernichtendes Geständnis gemacht,
sondern stehen außerdem als Lügner da. Es geht nicht um die Frage, ob Sie gestehen können, was Sie gestehen wollen,
sondern ob Sie wirklich das gestehen wollen, was Sie letzten Endes unvermeidlich gestehen werden.
Und schließlich: Was ist in der Vergangenheit geschehen, wenn Sie Ihrem Partner etwas Ähnliches erzählt oder
verschwiegen haben? Sie haben Ihrem Partner wahrscheinlich noch nie so ein Geständnis gemacht, denn was wäre dem schon
„ähnlich”. Aber haben Sie früher schon mal einen großen Fehler gemacht? Und hat er damals eifersüchtig und besitzergreifend reagiert? Konnte er Ihnen vergeben? Solche Anzeichen können Ihnen helfen, die Reaktion Ihres Partner vorherzusehen.
Echte Verantwortung
All diese Fragen und Antworten haben etwas damit zu tun, die Wahrheit auf verantwortungsvolle Art und Weise zu äußern.
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Viele Menschen machen den Fehler, die Wahrheit sagen zu
wollen, weil sie „authentisch sein” wollen, oder weil es
moralisch „absolut richtig” ist, oder weil die Wahrheit an sich angeblich eine heilende Qualität hat und die Dinge daher immer zum Besseren wendet. Andere hingegen verschweigen die
Wahrheit, weil sie Angst davor haben und es ihnen leichter fällt, den Mund zu halten.
Die zwölf Fragen, die wir zuvor anhand eines Geständnisses durchgegangen sind, zeigen eindeutig, daß es bei der
Entscheidung, die Wahrheit zu sagen oder sie zu verschweigen, weder um abstrakte moralische Prinzipien noch um
psychologische Theorien geht. Es handelt sich vielmehr um eine praktische Entscheidung wirklicher Menschen in einer realen Welt. Es geht um echte Ziele und greifbare Bedürfnisse und darum, wie der Partner reagieren wird und welche Folgen das zeitigt.
Verantwortungsbewußtes Handeln erschöpft sich nicht darin, nur den ersten Schritt zu tun. Denn mit dem ersten entscheidet man sich auch für alle weiteren Schritte, die sich aus daraus folgenden Situationen und Umständen ergeben. Man kann nicht behaupten, es sei besser, die Wahrheit zu sagen oder sie zu verschweigen, bis man beurteilt hat, ob die Folgen eines
Geständnisses insgesamt positiver sind als die Konsequenzen des Verschweigens.
Sie entscheiden sich also nicht einfach zwischen zwei
Alternativen, sondern vielmehr zwischen zwei
Gesamtereignissen mit einem ganzen Bündel Konsequenzen.
Welche Folgen sind erstrebenswert? Sollte man daher sprechen oder schweigen? Diese Fragen aufrichtig und ehrlich
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