Ich muss dir etwas sagen
Sache, und es wäre dumm, sie als solche zu betrachten. Versuchen Sie also keinesfalls, die Reaktion zu steuern. Sie haben - als Sie den Rahmen steckten - deutlich gesagt, welche Reaktion Sie sich wünschen, aber jetzt müssen Sie sich darauf konzentrieren, die Reaktion zu akzeptieren, die Sie erhalten. Wir werden noch sehen, daß die Anerkennung der tatsächlichen Reaktion des Gegenübers am Ende
höchstwahrscheinlich zu der von Ihnen gewünschten Antwort
führt.
Signalisieren Sie Ihr Verständnis, wenn Ihr Gegenüber Ihre Enthüllung für immens wichtig hält, denn genauso, wie Sie
mitsamt Ihrer Enthüllung akzeptiert werden wollen, sollten Sie
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Ihr Gegenüber und dessen Reaktion akzeptieren.
Nun müssen Sie genau erklären, was Ihre Enthüllung bedeutet.
Aber gehen Sie dabei nicht wie Kim vor: „Sieh mal, ich kann und will die Sache nicht beschönigen - wir haben schon seit langem nicht mehr über Politik geredet, aber du solltest wissen, daß ich mich verändert habe. Ich bin es müde, Leuten zu helfen, die sich nicht selber helfen wollen, ich bin es müde, Steuern zu zahlen, und mir ist klargeworden, daß ich inzwischen
konservativ denke. Das dürfte allerdings kein Schock für dich sein, denn schließlich tickt man wahrscheinlich nicht richtig, wenn man erwachsen geworden ist und nicht konservativer. Wir sind ja keine Kinder mehr.”
Wie 's richtig geht
Kim hätte vielmehr sagen können: „Weißt du noch, wie
militant und liberal wir als Jugendliche waren? Nun, wir haben schon eine ganze Weile nicht mehr über diese Dinge
gesprochen, aber faktisch bin ich in jüngster Zeit immer
konservativer geworden. Wir kennen zwar viele konservative Leute, aber die Frau, die du geheiratet hast, war es nicht.
Deshalb ist mir klar, daß das für dich vielleicht eine größere Sache ist und daß du vielleicht gar nicht mehr mit mir
zusammen wärst, wenn du davon gewußt hättest. Ich weiß, daß manche Leute es für idiotisch hielten, aber in den 60er Jahren wäre ich niemals mit jemandem ausgegangen, der Nixon
unterstützte, und jetzt meine ich gewissermaßen, genau wie die Leute zu sein, die wir damals haßten wie die Pest. Ich verstehe also nur zu gut, wenn das ein Hammer für dich ist. Aber das Positive daran ist doch, daß ich keine Vorurteile habe, so als wärst du ein Idiot, wenn du nicht meiner Meinung bist, und in manchen Bereichen, wie bei Abtreibung etwa, bin ich wohl
immer noch liberal, also dafür, daß die Frau selber entscheiden sollte. Ich hätte keinerlei Problem damit, wenn wir darin
übereinstimmen könnten, in mancher Hinsicht unterschiedliche
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Meinungen zu vertreten.”
Wenn wir Aspekte unserer selbst offenbaren, befürchten wir häufig, abgewiesen zu werden. In der ersten, also Kims
tatsächlicher Version handelte sie wie die meisten Menschen: Sie erteilte Jason prophylaktisch eine Abfuhr in der Erwartung, er werde ihre Wahrheit ablehnen. Daß dies nicht ihre Absicht war, macht ihr Verhalten nicht weniger falsch. Die zweite
Version, die sie hätte nutzen sollen, akzeptiert klar und deutlich die Möglichkeit, daß Jason sie zurückweisen wird, und er hätte es gerade deshalb viel leichter, die Veränderung zu akzeptieren.
Menschen, die mit ihrem Coming-out als Homosexuelle
positive Erfahrungen gemacht haben, verstehen dieses Vorgehen gut. Ihnen ist klar, daß familiäre Beziehungen ganz leicht zerstören kann, wer nach dem Motto handelt: Ich bin schwul, und wenn das für dich ein Problem ist, will ich nichts mehr mit dir zu tun haben. Also haben sie ihren Eltern klar zu verstehen gegeben, daß sie es voll und ganz akzeptieren, wenn sie
zunächst einmal Schwierigkeiten haben, mit der Enthüllung
klarzukommen.
Achten Sie auf eine gute Abrundung
Wenn Sie sich den Reaktionen widmen und sie mit dem
Gegenüber „durcharbeiten”, dann runden Sie dieses Drehbuch optimal ab. Man wird meistens mit vielen Fragen konfrontiert, und auch wenn sie ziemlich dumm erscheinen, kann eine
akzeptierende Auseinandersetzung mit ihnen die Beziehung
wieder ins Lot bringen. Letztlich muß eine Beziehung nicht in allem unseren Wünschen entsprechen, wichtiger ist doch, daß wir uns wohl fühlen und offen reden können.
Als Jason diesen tiefen Abgrund zwischen sich und der
plötzlich so fremden Kim betrachtete, klangen seine Fragen zunächst wie eine Ablehnung, bezogen sich aber in Wirklichkeit
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nur auf ihre gemeinsame Beziehung. Denn nur mit einem
wirklich nahestehenden
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