Ich muss Sie küssen, Miss Dove
damit, mir den Fächer zu kaufen; und ich wartete darauf, dass du meine Manuskripte veröffentlichst, obwohl ich tief im Innern längst wusste, dass du das niemals tun würdest." Sie machte einen weiteren Schritt auf ihn zu, dann noch einen. „Tatsache ist, dass ich in meinem ganzen Leben immer nachgegeben habe, dass ich nie auf einer Sache beharrt habe, die ich mir in den Kopf gesetzt hatte, und dass ich immer mit dem Wenigeren zufrieden gewesen war. Inzwischen ging das Leben um mich herum weiter, aber ich war nie wirklich ein Teil davon. Und das gab bei mir den Ausschlag, meine Stelle zu kündigen." Sie blieb vor ihm stehen. „Weißt du, als ich das Mädchen mit meinem Fächer aus dem Laden spazieren sah, dachte ich, dass es nur gerecht war. Schließlich befand die junge Dame sich im Frühling ihres Lebens. Während mein Frühling schon seit Jahren vorbei war. Ich hatte das zugelassen. Ich habe mir so viele schöne Dinge entgehen lassen, nur weil ich Angst hatte. Ich möchte nicht, dass es dieses Mal wieder so geschieht." Sie berührte ihn und nahm sein Gesicht in ihre Hände. „Ich möchte endlich erfahren, was mir bislang entgangen ist, Harry. Ich möchte meinen Frühling zurück haben."
Er richtete sich auf, griff nach ihren Handgelenken und drückte sie fest nach unten. „Lass uns das klarstellen. Was genau möchtest du mir damit sagen?"
„Ich möchte, dass du mich jetzt liebst. Habe ich mich unmissverständlich genug ausgedrückt?"
Er machte einen etwas unglücklichen Eindruck. „Du weißt, ich werde nie wieder heiraten."
„Ich habe dich auch nicht gebeten, mich zu heiraten."
„Das bedeutet, eine Affäre. Bist du dir sicher, dass du bereit bist, so etwas in Kauf zu nehmen?"
Emma holte tief Luft. Dreißig Jahre als braves Mädchen waren genug. „Ja, Harry. Das ist genau das, was ich will.."
18. KAPITEL
Die Leute haben mich schon oft als verrückt bezeichnet. Es gibt Zeiten, da denke ich, sie haben recht.
Lord Marlowes Junggesellenmagazin, 1893
Harry wusste, er hatte endgültig den Verstand verloren. Das war ihm deshalb so klar, weil Emma Dove in seinem Salon stand und ihm einen unschicklichen Antrag machte. Vor ein paar Stunden war das noch so unwahrscheinlich gewesen wie Schnee in der Hölle oder ein Wahlsieg der Liberalen. Er musste Halluzinationen haben.
Und doch sah er Emma ganz deutlich vor sich, mit offenem Haar und völlig durchnässter Kleidung, die sich provozierend an ihren Körper schmiegte. Er hatte soeben gehört, dass sie ihm eine Affäre anbot. Es spielte keine Rolle, ob das alles ein aberwitziger Traum war. Sie würde oben in seinem Zimmer und nackt sein, bevor er daraus erwachte.
„Komm", sagte er und ergriff ihre Hand. Er nahm die nächststehende Petroleumlampe und führte Emma aus dem Salon hinauf in sein Schlafzimmer. Dort angekommen, schloss er die Tür und stellte die Lampe auf seinen Toilettentisch, ehe er eine Schublade des Tisches aufzog und ihr ein kleines rotes Samtetui entnahm. Er spürte Emmas Blick auf sich ruhen, während er es auf sein Kopfkissen legte. Als er sich umdrehte, merkte er, dass sie das Etui neugierig betrachtete.
„Was ist das?", wollte sie wissen.
Jetzt war nicht der Zeitpunkt, um über solche Vorsichtsmaßnahmen zu sprechen. „Das erkläre ich dir später."
Sie nickte, und auf ihrem süßen, sommersprossigen Gesicht lag ein Ausdruck so unbedingten Vertrauens, dass Harry plötzlich unerklärliche Zweifel befielen.
„Bist du dir wirklich deiner Sache ganz sicher?", fragte er. „Du willst deine Meinung nicht ändern? Wenn es einmal passiert ist, kann man es nicht wieder ungeschehen machen, Emma."
„Ich weiß.” Sie ergriff seine Hände. „Erinnerst du dich noch, wie du mir erzählt hast, was du alles mit mir machen würdest?" Als er nickte, fuhr sie fort. „Gut, weil ich jetzt möchte, dass du das alles tust. Alles."
Sie hob seine Hände und legte sie sich auf die Brüste, und in dem Moment war er verloren. Sogar durch die vielen Lagen Stoff konnte er ihre weichen Rundungen ertasten, und sein Verlangen loderte auf.
Er schob ihr das nasse Haar über die Schultern und begann, ihre Bluse aufzuknöpfen, genauso, wie er sich das so viele Male vorgestellt hatte, doch die Wirklichkeit gestaltete sich als ein völlig anderes Unterfangen als in seinen Träumen. Er musste unwillkürlich leise lachen.
„Warum lachst du?"
„Immer, wenn ich mir das hier ausgemalt habe, dachte ich nie daran, dass es ein Unding werden würde, die Knöpfe zu
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