Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich muss Sie küssen, Miss Dove

Titel: Ich muss Sie küssen, Miss Dove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lee
Vom Netzwerk:
ältliche Jungfern zu lesen, die Leibbinden trugen und in anständigen Wohnungen lebten. Anderen Leuten ging es zweifelsohne ebenso. Und genau das war das Problem.
    Er veröffentlichte Bücher und Zeitungen, um Geld zu verdienen, nicht um den Menschen beizubringen, wie sie sich zu benehmen hatten. „Miss Dove, das haben wir doch bereits besprochen", erinnerte er sie. „Etikettebücher bringen nicht genug Geld ein, sie lohnen sich nicht. Es gibt heutzutage so viele davon, da ist es schwer, eins zu finden, das sich aus der Masse heraushebt."
    Sie nickte. „Genau deshalb habe ich mit diesem Manuskript auch ganz neue Wege beschritten. Denken Sie an den Erfolg des Junggesellenmagazins und an Ihre Einstellung, dass es Frauen möglich sein sollte, in allen Berufen zu arbeiten, für die sie die richtige Eignung haben, dann werden Sie hoffentlich sehen, welchen Reiz meine Idee hat. Junggesellinnen bilden eine stetig wachsende Bevölkerungsgruppe in unserem Land. Den Statistiken nach ..."
    Bei Harry bahnten sich Kopfschmerzen an, als sie die Zahl der gegenwärtig in London lebenden Junggesellinnen nannte. Er gab nichts auf Statistiken. Er verließ sich auf sein Gefühl, und das sagte ihm, dass, ganz gleich welches Konzept sie dem Buch auch zugrunde gelegt haben mochte, sie niemals etwas Herausragendes schreiben würde, weil sie im wirklichen Leben einfach zu — harmlos war. Mit ihrem braunen Haar, den haselnussbraunen Augen und der ruhigen Stimme war Miss Dove die Verkörperung der Gutmütigkeit.
    Er hatte sie ursprünglich aus einer Laune heraus eingestellt. Es war ihm wichtig gewesen, seine Theorie, dass Frauen genauso in der Lage waren, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen wie Männer, zu beweisen. Miss Dove hatte alle seine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Sie war in ihrer Arbeit vorbildlich, viel besser als jeder Sekretär, den er vorher beschäftigt hatte. Am wichtigsten war jedoch, dass sie eine Eigenschaft besaß, die man Frauen zwar oft nachsagte, sich aber tatsächlich in ihren Charakteren nur selten widerspiegelte, sie war fügsam. Es war nicht ihre Art, etwas zu hinterfragen. Wenn Harry ihr aufgetragen hätte, an Bord eines Schiffes zu gehen, nach Kenia zu reisen und ihm ein Pfund Kaffeebohnen zu besorgen, wäre sie wortlos aus dem Büro gehuscht und hätte eine Passage gebucht.
    Obgleich ihm persönlich dieser Wesenszug sehr gelegen kam, erschien ihm Miss Dove wegen ihrer Fügsamkeit bisweilen etwas unwirklich, nicht wie die anderen Frauen aus Fleisch und Blut, denen Harry bisher begegnet war. Er hatte eine sich ständig einmischende Großmutter, eine sich ständig einmischende Mutter, drei sich ständig einmischende und entsetzlich ungehorsame Schwestern und eine persönliche Schwäche für temperamentvolle Frauen. Daher sagte ihm seine lebenslange Erfahrung mit dem anderen Geschlecht, dass richtige Frauen alles andere als fügsam waren.
    Vermutlich lag es an Miss Doves Mangel an Leidenschaft - mehr noch, als an ihrem unscheinbaren Aussehen -, dass das Arbeiten mit ihr so unkompliziert war. Eine verführerische, aufsässige Sekretärin, nein, das wäre eine unmögliche Situation gewesen, sehr viel amüsanter, aber bestimmt nicht gerade effektiv. Was Sekretärinnen betraf, zog er Miss Dove allen anderen vor, und er hatte sich von Anfang an geschworen, sich ihr niemals auf amouröse Art zu nähern. Es war ein Glück, dass sie es ihm so leicht machte; diesen Vorsatz einzuhalten.
    ,,So", ,sagte sie und trat einen Schritt zurück, um ihren Arbeitgeber kritisch zu begutachten. Dann nickte sie. „Ich hoffe, Sie sind damit zufrieden."
    Harry machte sich gar nicht erst die Mühe, ihr Werk im Spiegel zu überprüfen. Ohne jeden Zweifel hatte sie ihm die, vollkommene Fliege gebunden, wahrscheinlich die eleganteste, die man sich vorstellen konnte. „Miss Dove, Sie sind ein Schatz." Er klappte den Hemdkragen wieder herunter, nahm den Zylinder und wollte sich abermals auf den Weg machen. „Ich weiß gar nicht, was ich ohne Sie anfangen sollte."
    „Wegen meines neuen Buchs ...", setzte sie erneut an, was ihn dazu bewegte, noch schneller zu gehen. „Werden Sie ..."
    „Lassen Sie es morgen früh zu mir nach Hause bringen, ehe ich abreise", sagte er rasch, ehe sie ihm mit weiteren Statistiken über Junggesellinnen kommen konnte. „Ich werde es mir ansehen, wenn ich auf dem Land bin."
    „Vielen Dank, Mylord."
    Erleichtert verließ Harry das Büro. Zu schade, dass er die Oper nicht auch so leicht abwimmeln konnte

Weitere Kostenlose Bücher