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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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inzwischen gestorben waren.
    Einen »kurzen Prozess« hatte man vermeiden wollen, jetzt drohte es eine unendliche Geschichte zu werden. Die überlange Verfahrensdauer war aber in erster Linie auf den Gesundheitszustand des Angeklagten zurückzuführen. Kroll waren »erhebliche Kreislaufstörungen« attestiert worden, und er klagte nahezu jede Woche über ein anderes Gebrechen: Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Magenschmerzen, Halsschmerzen, Gliederschmerzen. Deshalb konnte nur höchstens zweimal pro Woche verhandelt werden, und dann auch nur für ein bis zwei Stunden. Hinzu kam Krolls eigenwilliges, betuliches, starrsinniges Aussageverhalten. Eindringliche Fragen der Richter nach seinem Denken, Fühlen und Handeln zerschellten an seiner fast völligen Unzugänglichkeit und Sprachlosigkeit wie manövrierunfähige Schiffe an mörderischen Klippen. Zudem bestritt er nach wie vor, außer Tanja Bracht weitere Opfer getötet zu haben.
    Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Anklageschrift von vornherein angenommen, Kroll sei nur »sehr vermindert schuldfähig«. Nach Abschluss der Beweisaufnahme blieb zu erörtern, ob der Angeklagte überhaupt als Mörder zu bestrafen war oder den Rest seines verpfuschten Lebens in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt verbringen sollte. Alle durchgeführten klinischen und neurologischen Untersuchungen hatten keine Besonderheiten ergeben, allein die Computer-Tomographie vom Schädel des Angeklagten erbrachte einen »auffälligen« Befund: »eine symmetrische Weitung beider Vorderhornbereiche der Seitenventrikel auf über das Doppelte der Norm«. Diese Anomalie wurde auf eine »frühkindliche Hirnschädigung unbekannter Genese« zurückgeführt, allerdings wurde Kroll insgesamt als »hirnorganisch gesund« eingeschätzt. Biologische Ursachen für seine extrem abweichenden Verhaltensweisen konnten demnach »weitestgehend« ausgeschlossen werden.
    Vier Sachverständige hatten die Schuldfähigkeit Krolls geprüft, nur drei von ihnen konnten ihre Untersuchungsergebnisse vortragen und erläutern. Die Stellungnahme Dr.  Roths musste nach dessen Tod durch das Gericht verlesen werden, um im Entscheidungsprozess berücksichtigt werden zu können. Der ehemalige Landesmedizinaldirektor in seinem Gutachten: »Die lustmörderischen Beutezüge des Herrn Kroll tragen den Stempel archaischer Jagdbetätigung und Waldläuferei. Herr Kroll betätigte sich gewissermaßen, wenn er Geschlechtshunger hatte und auch in kindlicher Abenteuerlust, als eine Art Sexualwilderer. (…)«
    Nach Auffassung des Gutachters habe Kroll »keine Erwachsenensexualität entwickeln« können, er sei »in seiner Geschlechtlichkeit insgesamt ich-befangen, primitiv und impulsiv-chaotisch« geblieben. Nach und nach habe sich ein »psychosexueller Infantilismus« entwickelt, der von sadistischen Elementen durchdrungen und bestimmt gewesen sei. Krolls Impotenzformen wurden aus »einer Nichtbewältigung des Ödipuskomplexes« hergeleitet, wobei sich »hinter der Identifizierung mit der Mutter eine sadistische Neigung versteckt« habe. Das Ziel sei »die Beschmutzung und Beschädigung der Mutter« gewesen, die er stellvertretend auf alle Frauen übertragen habe.
    Dr.  Roth beschrieb den Angeklagten als einen »gemütsarmen«, Mitmenschen lediglich »objekthaft« wahrnehmenden »Charakteropathen«: »höchst empfindlich, leicht beleidigt und nachhaltig übelnehmerisch in starrhafter Weise, beherrscht von ausgeprägten Unterlegenheits- und Minderwertigkeitsgefühlen«.
    Aus dem testpsychologischen »Denkleistungsdefizienzprofil« leitete der Sachverständige »den Verdacht einer leichten frühkindlichen, nicht später erworbenen Hirnschädigung« her. Die Begründung: »Ein hirnorganisches Psychosyndrom, wie es Erwachsene aufweisen, ist bei Herrn Kroll nicht nachweisbar, wie auch in der Vorgeschichte einschlägige Unfälle und Erkrankungen von ihm nicht berichtet worden sind. (…) Diese Vergrößerung der beiden Hirnkammern im Bereich des Stirnhirns weist demnach eine Schrumpfung der dortigen Hirnmasse aus. Dafür kommt nur eine prä- oder perinatale Hirnschädigung in Betracht, nachdem eine spätere Schädigung nicht aufzudecken ist.«
    Alle Gutachter waren nach ihren umfangreichen »Explorationen« – abgesehen von der Frage der »Steuerungsfähigkeit« – zu übereinstimmenden Befunden gelangt. »Schwachsinn«, eine »Psychose« oder »tief greifende Bewusstseinsstörung« konnten »mit Sicherheit« ausgeschlossen werden.

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