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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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stand er an der Haltestelle »Mühlenkamp«. Von hier aus hatte er bereits unzählige Ausflüge dieser Art begonnen, die Linie 9 fuhr im 12-Minuten-Takt. Sein Plan sah vor, eine Gegend zu durchstreifen, in der er vorher noch nicht gewesen war. Anderthalb Stunden später erreichte die Bahn ihre Endhaltestelle, den Bahnhof in Dinslaken. Dort stieg er in einen Bus der Bundespost, der zwischen Dinslaken-Bahnhof und Dorsten verkehrte, via Hünxe und Gahlen.
    An der Haltestelle »Witte Hus«, einem Ausflugslokal, stieg er aus und ging ein Stück die Provinzialstraße zurück in Richtung Dinslaken-Bruckhausen. Gegen 12.30 Uhr bog er nach rechts ab in einen kleinen unbefestigten Verbindungsweg, der nach etwa 600 Metern in eine asphaltierte Straße, den Sternweg mündete. Das wusste er nicht. Er konnte lediglich erkennen, dass der von zahlreichen Laubbäumen gesäumte Weg zunächst durch bebaute Felder und nach gut 150 Metern in ein Wäldchen führte – eine einsame Strecke, von außen kaum einsehbar, die vornehmlich von Landwirten, an Sonn- und Feiertagen aber auch gelegentlich von Spaziergängern genutzt wurde. Hier wollte er sein Glück versuchen.
    Wolkenloser Himmel, 20 Grad. Er konnte nicht sicher einschätzen, ob ihm jemand begegnen würde. Aber die Chancen standen besser als sonst. Das wusste er. Wenn ihm jetzt eine Frau in die Arme laufen würde, es wäre um sie geschehen. Das »komische Gefühl« wurde stärker, er spürte das unangenehm-angenehme Kribbeln auf der Brust, in den Armen. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Seine Erregung war gewaltig. Er verschaffte sich einen Überblick, drehte sich um, schaute nach rechts, nach links. Er fixierte die Umgebung jetzt mit den Augen eines Jägers, der das Terrain sondierte. Und dann marschierte er los.
    Eine Viertelstunde später stand er in der Provinzialstraße an der Haltestelle »Lindenkamp« und wartete ungeduldig auf den Bus, der ihn zum Bahnhof in Dinslaken bringen sollte. Er wollte nach Hause – so schnell wie möglich. Das »komische Gefühl« verspürte er nicht mehr. Um 12.51 Uhr bestieg er den Bus.
    Es war kurz nach 13 Uhr, als ein VW-Käfer über den Verbindungsweg in Richtung Sternweg holperte. Am Steuer saß Rudolf Dibbern, neben ihm seine Schwiegermutter. Sie waren auf dem Weg zu einer Trauerfeier. Plötzlich stutzte der 46-Jährige. Links vor seinem Wagen auf einer Grasnarbe lag etwas, das ihn irritierte. Erkennen konnte er zunächst nur einen roten Popelinmantel mit weißen Knöpfen und ein Kleid, schwarz-weiß gepunktet. Ihm war nicht wohl bei der Sache. Er stoppte den Wagen und stieg aus. »Hermi, bleib sitzen, ich mach das schon.«
    Seine Befürchtung wurde zur Gewissheit: Vor ihm lag ein junges Mädchen – ob tot oder lebendig, konnte Dibbern ohne weiteres nicht feststellen. Er kniete nieder, versuchte den Puls zu ertasten. Nichts. Aber er sah, dass die Wangen des Mädchens noch gerötet waren, und in Händen und Armen verspürte er noch etwas Körperwärme. Nur der Gesichtsausdruck beseitigte letzte Zweifel. Er hielt das Mädchen für tot.
    Dibbern fuhr weiter bis zum Sternweg und alarmierte von der dortigen Landmaschinenwerkstatt »Hesseln und Söhne« die Polizei. Für »Tötungsdelikte«, die in Dinslaken »anfielen«, war die Kripo in Essen zuständig. Kurz vor 16 Uhr trafen die ersten Beamten ein, begannen Tatort und Leiche zu untersuchen.
    Der Leichnam lag auf dem Rücken, beide Arme waren angewinkelt, der rechte oberhalb des Kopfes, der linke etwas abgedreht oberhalb der Hüfte. Die Finger waren gekrümmt, die Oberschenkel deutlich gespreizt. Der Mund des Opfers war leicht geöffnet, und die Augen waren geschlossen. »Auffällig« erschienen den Kriminalisten die blau-violett verfärbten Lippen. Um den Hals war ein »Tchibo«-Taschentuch festgebunden und an der rechten Halsseite verknotet. Der Fundort ließ keine Kampfspuren erkennen. Auch an der Leiche konnten die Beamten »grobsichtig« keine Kampf- oder Abwehrverletzungen feststellen. Auf dem Verbindungsweg glaubten sie allerdings etwas zu erkennen, das nicht eindeutig zu identifizieren war, aber mit »einiger Wahrscheinlichkeit« für »Spuren eines Kraftfahrzeugs« gehalten wurde.
    Die Mordkommission interpretierte den Tatortbefund: Die Ermittler vermuteten, das Opfer sei nicht am Fundort ermordet, sondern erst nach der Tat dort abgelegt worden. Die Tötung habe »wahrscheinlich« in einem Auto stattgefunden.
    Schnell fanden die Beamten heraus, dass es sich bei der Toten

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