Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
Fußballschiedsrichter Babak Rafati scheidet eine Verstrickung des 41-Jährigen in Geschäfte der Wettmafia als Motiv ebenso aus wie ein Zusammenhang mit dem Steuerskandal um deutsche Referees. Dies zeichnet sich nach Recherchen des Sport-Informations-Dienstes (SID) ab. In Justizkreisen gibt es keine Indizien dafür, dass Rafati ›in irgendeiner Weise‹ mit einem Wettskandal zu tun habe. Sein Name sei bei Ermittlungen und Zeugenaussagen nirgendwo aufgetaucht. Der Name Rafati steht, so gut informierte Kreise, auch nicht auf der Liste der vom Steuerskandal betroffenen Referees. Die Fahnder haben insgesamt 70 aktive und ehemalige Unparteiische des DFB ins Visier genommen. Angeblich sollen manche der Beschuldigten Einnahmen von mehr als 100.000 Euro an den Finanzbehörden vorbeigeschleust haben, vor allem für die Leitung internationaler Spiele. Die polizeilichen Ermittlungen im Fall des Selbstmordversuchs von Rafati stehen kurz vor dem Ende.«
In den Zeitungen wurde es nach diesen beiden eindeutigen Erklärungen glücklicherweise ruhiger. Ich konnte mich endlich auf die Heilung meiner Krankheit konzentrieren.
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Die Verbreitung dieser Falschmeldungen und Gerüchte hatte bereits Schaden angerichtet. Ein Teil meiner Familie und Bekannten hatte sich von mir zurückgezogen und ich verlor einige Freunde, die ich wegen meiner beruflichen Doppelbelastung nur noch sehr selten gesehen hatte und die deshalb auch meine innere Gefühlswelt und Probleme nicht kannten. Sie dachten sicherlich, wenn in so vielen Berichten das Gleiche steht, muss doch irgendetwas Wahres dran sein! Sie wandten sich von mir ab, als ich sie gebraucht hätte, weil sie den Medienberichten Glauben schenkten, ohne mir auch später die Chance zu geben, ihnen die wahren Hintergründe zu erklären. Ich hatte während meiner Erkrankung auch nicht die Kraft, auf alle Menschen wieder zuzugehen und mich zu erklären. Natürlich muss man auch die Reaktion solcher Familienmitglieder und Freunde hinterfragen, fragen, ob sie es wert sind, dass man ihrer Liebe nachtrauert.
Ein Mitglied der Schiedsrichterkommission, Lutz Wagner, mailte mir einige Zeit später: »Jetzt den Weg zu deinen alten Freunden und Kollegen zu suchen, ist sicher zunächst einmal belastend, tut aber sicher auch sehr gut. Ich bewundere deine Feinfühligkeit und Sensibilität. Nimm dies nicht nur als Belastung, sondern auch als Geschenk. So lässt sich vieles sehr viel intensiver und auch wunderbarer erleben. In punkto Belastung lass dir nur so viel sagen, manchmal empfindest du etwas als schlecht oder negativ, was Unbeteiligte oder nicht direkt Beteiligte gar nicht so wahrnehmen. So wirst du auch keinesfalls so negativ gesehen, wie du es vielleicht denkst. Ich persönlich habe eine sehr hohe Meinung von dir. Zum andern siehst du jetzt klar, wo deine Freunde sind und wo die Gleichgültigen stehen. Die Chance, alles zu ordnen und Prioritäten zu setzen, hast du nun, ergreif sie.«
Diese Aussagen kann ich nur voll und ganz bestätigen, denn meine Lehre aus den ganzen Geschehnissen ist, dass uns Feindschaft, Konkurrenzdruck, Neid und schlechtes Nachreden nicht weiterbringen. Ich bin nach allem, was ich durchlitten habe durch meine Tat, jedenfalls von dem Wunsch beseelt, mich mit allen Teilen meines Lebens wieder zu versöhnen – die guten wie die schlechten Erinnerungen in mein neues Leben zu integrieren.
Aber nicht nur dieser Schiedsrichterkollege stand mir in dieser schweren Zeit mit tröstenden Worten zur Seite. Gerade von Menschen, die mir nicht sehr nahe standen und von denen ich nicht unbedingt Unterstützung erwartet hätte, schickten mir ein Zeichen ihrer Freundschaft.
Wenige Tage nach meiner Tat brachte mir Rouja drei Briefe an mein Klinikbett, wie sie in der Form unterschiedlicher nicht sein konnten. In der Wirkung aber waren sie gleich. Sie schenkten mir Wärme und machten mir Mut, wofür ich unendlich dankbar bin.
Der erste Brief kam in einem riesigen Umschlag mit 65 Prozent Altpapieranteil, in Form der BILD-Zeitung, Post von Wagner, von Franz Josef Wagner, einem der edelsten Fußballfans Deutschlands, der mir in seiner Kolumne schrieb:
»Lieber Schiedsrichter Babak Rafati, die gute Nachricht: Sie leben. Alles andere ist unwichtig. Um alles andere müssen sich Fans, Journalisten und der DFB kümmern. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, ob die Bundesliga menschenschädlich ist. Der Nationaltorwart Enke warf sich vor den Zug, der Erfolgstrainer Rangnick fühlt sich
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