Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
Ich hätte fast zu lange gezögert. Aber dann traf ich eine Entscheidung.
Ich schaltete einen Anwalt ein. Ich wusste nicht, was noch alles über mich hereinbrechen würde, und ich brauchte Ruhe, um mich mit meiner Krankheit auseinanderzusetzen. Zwei Tage später rief mein Anwalt zurück. Als Ergebnis seiner Nachforschungen habe sich ein Polizeikommissar bei ihm gemeldet und sich dafür entschuldigt, dass einer seiner Vorgesetzten voreilig falsche und somit irritierende Informationen über meine privaten Notizzettel an die Medien weitergegeben hätte. Dem läge ein Missverständnis zugrunde. Der Beamte hatte auf eine entsprechende Reporterfrage lediglich geantwortet, dass auf den gefundenen Zetteln nichts zum Thema Fußball stehen würde – konnte es auch nicht, weil ich diese Unterlagen im Papierkorb vor dem Hotel entsorgt oder im Klo runtergespült hatte. Im Umkehrschluss hatte der Reporter kombiniert, wenn vom Sport nichts draufsteht, dann ist auch kein Sport drin als Motiv – also: nur Privates. Eine gleich lautende öffentliche Entschuldigung der Kölner Polizei hätte sehr viel zu einer Klarstellung beitragen können. Anscheinend war das der Polizeipressestelle dann aber doch zu unangenehm oder es schien ihr einfach zu unbedeutend, sodass die gegenüber meinem Anwalt abgegebene Erklärung nicht den Weg in den großen Presseverteiler der Kölner Polizei fand.
Um Rouja zu schützen und den ganzen Gerüchten ein Ende zu bereiten, was aber vorrangig mein Gewissen beruhigen sollte, formulierten wir eine Mitteilung, die mein Anwalt in meinem Namen an die gesamten Medienvertreter herausgeben sollte – mein großer Fehler dabei war, dass ich nicht sofort nach meiner Tat für Klarheit gesorgt hatte. Aber wie sollte ich das auch in meinem Zustand? Die Gegendarstellung, die ich schon viel früher hätte veröffentlichen lassen sollen, hatte folgenden Wortlaut:
»Auf ausdrücklichen Wunsch und im Namen von Babak Rafati nimmt der von ihm beauftragte Rechtsanwalt Dr. Sven Menke wie folgt Stellung: In Teilen der Öffentlichkeit ist aufgrund verschiedener Spekulationen der Eindruck entstanden, dass private Gründe bzw. familiäre Probleme die Ursache für den Suizidversuch von Babak Rafati gewesen sein könnten. Es ist ein dringendes Anliegen von Herrn Rafati, diesen falschen Eindruck zu korrigieren. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und seiner Familie hat er sich dazu entschlossen, die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Beweggründe zu informieren. Von den behandelnden Ärzten wurde bei Herrn Rafati in den vergangenen Tagen eine Depressions-Erkrankung diagnostiziert. Die damit einhergehenden Symptome traten nach seiner persönlichen Einschätzung vor etwa eineinhalb Jahren das erste Mal auf und haben sich seither in ihrer Intensität immer weiter verstärkt. Im persönlichen Empfinden von Herrn Rafati wurde vor allem ein wachsender Leistungsdruck für ihn als Schiedsrichter und der damit verbundene mediale Druck in Kombination mit der ständigen Angst, Fehler zu machen, zu einer immer größeren Belastung. Eine Belastung, die irgendwann selbst Alltagsprobleme unlösbar erscheinen ließ und der er sich am Ende nicht mehr gewachsen fühlte. Herr Rafati hat sich dafür entschieden, offen mit der Krankheit umzugehen und sich ihr zu stellen. Er hat sich in fachärztliche Behandlung begeben, um die Ursachen therapieren zu lassen. Wie lange dies dauern wird, ist derzeit nicht absehbar. Babak Rafati wünscht sich, am Ende dieser Therapie in sein normales Leben zurückkehren zu können, auch als Schiedsrichter. Und er bittet darum, ihm die Ruhe und Zeit zu geben, die er jetzt für seinen Genesungsprozess benötigt.«
Meine öffentliche Erklärung wurde im DFB ausgesprochen positiv aufgenommen. »Es ist ein wichtiger und richtiger Schritt von Babak Rafati, sich dieser Krankheit zu stellen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen«, wird DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger in einer DFB-Pressemitteilung zitiert. »Wir wünschen ihm jetzt viel Ruhe und Kraft für seine Genesung und werden ihn mit all unseren Möglichkeiten unterstützen.« Ein persönliches Schreiben Zwanzigers, in dem er sich nach meinem Wohlbefinden erkundigt, habe ich nie erhalten. Ich frage mich heute noch, warum der DFB immer nur über Pressemeldungen und Zeitungsinterviews mit mir kommunizierte.
In allen wichtigen Medien war vorher schon folgende Meldung des Sport-Informations-Dienstes erschienen: »Für den Selbstmordversuch von
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