Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
Fensterscheiben meines Autos beschlugen. Es waren sehr, sehr offene Gespräche, ich hatte nichts mehr zu verbergen – aber mein vielleicht zu schwacher Hilferuf wurde also solcher nicht in seiner Dringlichkeit verstanden. Was meine Gesprächspartner mit diesen Informationen gemacht haben, weiß ich nicht – sie haben es mir nie gesagt. Herbert Fandel und Hellmut Krug dürften über ihre Zuträger über alles Wesentliche informiert gewesen sein. Diese hohen Herren beim DFB hätten zumindest ahnen können, wie ihre Umgangsweise auf mich wirkt und wozu sie im Extremfall führen könnte – aber sie haben es nicht ernst genug genommen, um ihre Haltung zu ändern. In jedem gut geführten deutschen Unternehmen hätte es ein Mediationsgespräch gegeben. Nicht in der deutschen Schiedsrichterkommission.
Viele wussten dem Grunde nach Bescheid. Sonst hätten DFB-Präsident Theo Zwanziger und DFL-Chef Reinhard Rauball sich am Abend der Spielabsage wohl kaum derartig prononciert geäußert. Während Zwanziger von »ungeheurem Druck auf unsere Schiedsrichter« sprach, warb Rauball für ein »Überdenken« der allgemeinen Einstellung gegenüber den Unparteiischen. Zwanziger hatte wohl gleich nach seinem Eintreffen in Köln mit meinen unter Schock stehenden Assistenten Patrick Ittrich, Holger Henschel und Frank Willenborg gesprochen, die ihm sicher erzählt hatten, unter welch starkem Druck ich in den vergangenen Wochen gelitten hatte, dass von meiner gewohnten Herzlichkeit und Lebensfreude am Schluss nur noch so wenig zu erkennen gewesen war, dass sie mich sogar gefragt hatten, wie ich das nur aushalten würde und ob ich etwa suizidgefährdet sei. Sie müssen Zwanziger ihr Herz ausgeschüttet haben, weil alles, was in den vergangenen Monaten geschehen war – gewissermaßen eine Katastrophe mit Ansage –, Fragen nach Verantwortlichkeiten im System Schiedsrichter aufwerfen würde. Meine Assistenten werden ihm vermutlich erzählt haben, wie sehr ich unter dem öffentlichen Medienecho litt, von den Schikanen, denen ich mich durch Fandel und Krug ausgesetzt fühlte, meinen Zurücksetzungen, meiner Wut über die ungerechte Behandlung, der fehlenden Unterstützung durch meine Vorgesetzten und der verzweifelten Angst bei jedem Spiel, Entscheidungen im Graubereich zu treffen, die gegen mich ausgelegt werden könnten. Und schließlich war das »Rafati-Bashing« in den Fanforen nach dem Nürnbergspiel Chefsache bei Zwanziger, wie Fandel mir nach dem Spiel Koblenz gegen Kaiserslautern berichtete. Zudem musste der DFB-Boss mit der Kölner Polizei gesprochen haben, um auszuschließen, dass ein krimineller Hintergrund der Tat bestand. Welchen anderen Grund sonst hätte sein Besuch im Polizeipräsidium haben sollen, von dem mir die Polizistin berichtet hatte?
Spätestens am Abend also mussten alle Verantwortlichen im DFB zumindest geahnt haben, über dass es die Führungsprobleme im System Schiedsrichter, das von mir als solches empfundene »Bossing« von Fandel und Krug, ihre Verschärfung des Konkurrenzdrucks, die damit zunehmende psychische Belastung bei den meisten Schiedsrichtern, vor allem bei mir, waren, die zu meiner Entscheidung geführt hatten. Zwanziger hatte sich an dem Abend gar nicht weit aus dem Fenster gelehnt mit der Vermutung, der Leistungsdruck sei bei der Tat entscheidend gewesen – er wusste vermutlich genau Bescheid und hatte in seiner ersten, unverstellten Reaktion schlicht die Wahrheit gesagt. Daher entlaste ich an dieser Stelle Herrn Zwanziger vor den Medienvertretern, die ihm vorwarfen, vorschnell über meine Motive zu berichten.
Bei Fandel war dagegen nicht nur für mich das Bestreben sichtbar, die Ursache für den Druck auf die Schiedsrichter von der Schiedsrichterkommission wegzulenken. In einem Interview der BILD-Zeitung forderte er: »Schluss mit der Jagd auf unsere Schiris«, in dem er die Trainer, Spieler und Manager der Klubs stark für ihren Umgang mit den Referees kritisierte. Fandel sagte: »Ich kenne keinen Personenkreis, der höherem Druck ausgesetzt ist als Bundesligaschiedsrichter. Das ist in den letzten Monaten noch viel extremer geworden. Ein Schiedsrichter ist eine Führungskraft, trägt während eines Spiels immense Verantwortung. Der Umgang der Öffentlichkeit mit ihm steht dazu aber häufig in krassem Gegensatz. Hinzu kommt das respektlose Verhalten einiger Trainer, Manager und Spieler. Wenn Beteiligte nach Abpfiff wutentbrannt vor Kameras laufen und Schiedsrichter attackieren, entsteht eine
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