Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
ich mich in meinem Zimmer das erste Mal durch diese 30-Minuten-Übung gequält hatte und das Ganze eine Stunde später wiederholte, bemerkte ich, dass ich dabei war, dieselben Gedanken aufzuschreiben. Beim dritten Durchgang wiederholte sich das Ganze. Ich meinte, dass es keinen Sinn ergeben würde, dreimal dieselben Gedanken zu dokumentieren. Es kam nichts Neues dazu und ich konnte es nicht mehr sehen. Ich kannte diesen ganzen Mist allmählich zur Genüge und war der Übung überdrüssig. Und genau das war der Sinn der Übung. Ich hatte schriftlich dokumentiert, wie sehr ich mich dauernd im Kreis drehte, mich wiederholte und wie langweilig ich das eigentlich fand, weil es mich nicht weiterbrachte. Es gibt nichts Langweiligeres, als im Kreis zu fahren. Meine Gedanken-Formel-1 hatte jede Spannung verloren, weil es für mich nichts zu gewinnen gab. Ab jetzt würde ich versuchen, mich abzuwenden, wann immer dieses Rennen wieder starten wollte. Ich wollte nicht mehr mitfahren. Die Hausaufgaben sollten mich immun machen gegen dieses ständige Nachdenken und Grübeln. Und tatsächlich stellten sich bald die ersten Erfolge ein, ich konnte meine Gedankenspirale immer ein paar Drehungen früher abbrechen.
Die entscheidende Frage war, warum mich die ewig gleichen Fragen so beschäftigten. Dr. Hettich bat mich bei der nächsten Aufgabe herauszufinden, ob meine negativen Gedanken einen verborgenen Sinn hätten, den ich noch zu erschließen hätte. Nur wenn ich alle Quellen kennen würde, könnte ich den Gedankenfluss endgültig zum Versiegen bringen. Allein die Aufgabenstellung brachte mich dazu, meine Grübeleien zu betrachten – statt mittendrin zu stecken.
Nein, die ewige Wiederholung meiner negativen Gedanken machte keinen Sinn. Dies fand ich durch diese logische Herangehensweise heraus. Zudem ärgerte ich mich plötzlich über mich selbst, denn ich hatte durch die Grübelei ständig meine gesamte Energie aufgebraucht, anstatt diese für schöne, zweckmäßige und vor allem neue Ziele einzusetzen. Ich machte weiter Fortschritte. Mein Selbstbewusstsein wurde stärker.
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Würde ich bald wieder unter die Leute gehen können, mich ohne Furcht und Schamgefühle in der Öffentlichkeit zeigen können? Dr. Hettichs Vorschlag, für die nächste Übung in Hannover einen Stadtbummel mit Rouja zu unternehmen, erschien mir zu gewagt. Mich hätte jeder dort erkannt und viele Fragen gestellt. Dafür fühlte ich mich noch nicht stark genug. Als Kompromissaufgabe vereinbarten wir, in eine Stadt zu fahren, die weit entfernt von Hannover war, sodass ich nicht erkannt würde und mich nicht zu schämen bräuchte. Wir fuhren nach Goslar, eine Stadt, die Rouja zufällig ausgewählt hatte. Ich ging mit ihr durch die Gassen der Altstadt mit ihren vielen Fachwerkhäusern, von deren Schönheit ich kaum etwas sah, weil ich die Kapuze so tief wie möglich ins Gesicht gezogen hatte. Keiner erkannte mich, keiner sprach mich an. Ich jubilierte innerlich. Die Spannung fiel langsam von mir ab.
Rouja zog mich in ein Kaufhaus, um noch etwas zu besorgen. Dort war es so heiß, dass mir Vermummten der Schweiß übers Gesicht lief. Mit der Kapuze musste ich in den Überwachungskameras auch auffallen, ich sah aus, als wäre ich ein Kassenräuber aus der Bronx. Schweren Herzens zog ich die Kapuze runter. Und genau in dieser Sekunde stand plötzlich ein junger Mann vor mir, der mich sichtlich erfreut mit meinem Vornamen ansprach: »Babak, Mensch, geht es dir wieder besser?« Ich schämte mich doppelt für die Situation, weil mir weder Gesicht noch Name des jungen Mannes erinnerlich war, ich aber sofort erkannt und angesprochen worden war, kaum dass ich den Schutz meiner Tarnung aufgegeben hatte. Um genau das zu vermeiden, waren wir den langen Weg von Hannover nach Goslar gefahren. Ich muss wohl sehr nervös auf ihn gewirkt haben. Er sagte, dass er auch Schiedsrichter sei, auf Amateurebene, und bei einem Lehrgang meinen Vortrag gehört habe, an den er sich sehr wohl erinnere. Ich verabschiedete mich sehr hastig und wollte nur in mein Bett in die Klinik.
Diese Begegnung war eine furchtbare Erfahrung, die mich um Tage zurückwarf. Schon wieder begannen die Grübeleien: Was würde der junge Mann über das Zusammentreffen berichten? Wie würde er meinen Anblick schildern? Welche Spekulationen würde das auslösen, wenn ich plötzlich in Goslar auftauchte, wo doch alle Welt annahm, ich sei in klinischer Behandlung. Und schon sah ich die Schlagzeilen:
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