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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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Fehler – und darf nach so einem Spiel wie in Nürnberg Unterstützung verlangen, vor allem wenn die zwei wichtigsten Ansprechpartner des betroffenen Schiedsrichters selbst solche äußerst niederschmetternden Situationen bereits durchlebt haben. Und wenn ich schon mal selbst so kleingemacht worden bin, dann hacke ich nicht auf einem Kollegen herum, dem dasselbe widerfährt, sondern versuche ihn wieder aufzubauen! Das ist etwas, was zu den Aufgaben von Führungspersonal auch im Fußball gehören sollte. Das Einzige, was ich verlangt hätte, wäre, bei aller berechtigten Kritik, auch Zuspruch und Solidarität gewesen. So brachte mich das von mir als solches empfundene Drucktelefonat mit Fandel völlig aus der Spur. Seitdem fand ich nie wieder meine eigene und persönliche »Linie« im Auftreten und wirkte nicht mehr so energisch und konsequent, wie es vorher der Fall gewesen war. Ich hatte endgültig verloren, was ich finden sollte: meine Balance. Das Gespräch war kurz und eiskalt, gab aber Aufschluss über einen weiteren Bedrohungsfaktor.
    Fandel riet mir, ein klärendes Gespräch mit Hellmut Krug zu führen, was ich so verstand, dass offenbar Krug im Hintergrund aus allen Rohren gegen mich feuerte. Ich lehnte das ab und erklärte, dass Krug als DFL-Mitglied für mich als Schiedsrichter nicht zuständig sei. Ich sagte Fandel, dass sich Krug zunehmend als der eigentliche Chef der Schiedsrichterkommission aufspielen würde und vielen das auffallen würde. Ich trug mein Herz auf der Zunge, was in diesem Moment nicht förderlich war. Eine Bockigkeit meinerseits, die sich rächen sollte. Aber was gab es da noch zu reden? Ich hatte nach dem Nürnbergspiel auch wenig entgegenzusetzen.
    ■ ■ ■
    Krug schienen die Fragen der Gewaltentrennung zwischen DFB und DFL weniger zu kümmern und er übernahm aus dem Hintergrund durchaus spürbar mehr und mehr das Ruder. Als wir im Oktober 2011, fünf Wochen vor meinem Suizidversuch, beim Stützpunkt in Berlin waren, kam es während der Videoauswertung zum Eklat zwischen Krug und dem seit 13 Jahren beim DFB arbeitenden FIFA-Schiedsrichter Manuel Gräfe, einem Vollprofi, gleichwertig wie Krug. Gräfe widersprach einer ihn betreffenden Videoanalyse Krugs. Gräfe argumentierte sachlich, während Krug zunehmend ärgerlicher wurde über den Widerspruch. Das Ganze schaukelte sich hoch, als Krug merkte, dass es ihm nicht gelang, die anderen Anwesenden auf seine Seite zu ziehen. Gräfe ist ein ruhiger Typ, den auch auf dem Spielfeld nur wenig aus der Ruhe bringt. Als er Krug darum bat, er möge doch die kritisierte Sequenz noch einmal zurückspulen, damit er anhand der Bilder erläutern könne, warum er anderer Meinung sei als Krug, sprang dieser mit hochrotem Kopf auf und blaffte Gräfe wütend an: »Ich habe keine Lust, mit dir zu diskutieren.« Er veranstalte die Tagung, um die Schiedsrichter auf modernen Fußball einzustimmen, und alle, auch Gräfe, hätten zu akzeptieren, was er mitzuteilen habe. Niemand stand auf, um Gräfe zu unterstützen. Ich selbst war auch zu feige, weil meine Position dramatisch geschwächt war. Solidarität gab es im System Schiedsrichter selten, außer im vertraulichen Gespräch oder durch gut gemeinte Ratschläge – aber selten offen. Nach der kurzzeitig anberaumten Unterbrechung erschien Herbert Fandel im Raum. Krug musste ihm unmittelbar nach dem Eklat von Gräfes Widerspruch berichtet haben. Fandel forderte uns auf, aus den »reichen Erfahrungen Krugs« zu lernen. Es ginge um Professionalisierung im modernen Fußball. Die Diskussionsmethoden Krugs waren es nicht, weder modern noch kollegial, wie manche hinterher sagten – sondern oberlehrerhaft.
    Immer häufiger wurde in unseren Schiri-Zirkeln diskutiert, wer wirklich das Sagen hatte – unser Schiedsrichterobmann Fandel und der DFB – oder aber etwa Krug als Vertreter der Deutschen Fußball Liga. Der DFL-Geschäftsführer Christian Seifert, der Fandel schon beim Amtsantritt die volle Unterstützung zugesagt hatte, zeigte sich damals sehr erfreut, dass viele Gedanken, die sich die DFL gemacht hatte, von Fandel mitgetragen würden.
    Die bisher erfolgreiche Trennung von DFB und DFL in Fragen der Schiedsrichterschaft hat auch mit Gewaltenteilung zu tun. Das gilt auch für die Spielebeobachter. Der Spielebeobachter des DFB soll eine objektive Bewertung der Schiedsrichterleistung abgeben, die er auch benotet. Die Bewertung reicht von 0 bis 10 Punkten, wobei 10 eine Spitzenleistung bedeutet, die aber meines

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