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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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war zu stolz und zu gekränkt, um nachzufragen. Ich fühlte mich ausgestoßen, ich gehörte nicht mehr dazu.
    Damit nicht genug, setzte Fandel ohne Zögern zu weiteren Schlägen an. Natürlich war ich umso wachsamer, als die Rede in puncto Saisonverlauf von unserem Obmann anstand, denn ich erhoffte mir, Rückschlüsse auf meine aktuelle und zukünftige Situation ziehen zu können. Auf der Leinwand wurde die Anzahl der geleiteten Spiele der einzelnen Schiedsrichter in der abgelaufenen Saison aufgezeigt. Fandel kommentierte meine Werte mit den Worten, dass ich als einziger erfahrener Schiedsrichter, gemessen an der Anzahl der geleiteten Spiele, in die Gruppe der sogenannten »Anfänger« zurückgefallen sei. Innerlich brodelte es, ich wollte weglaufen, aber was wäre das für eine Botschaft gewesen? Fandel sagte weiter dem Sinn nach – und ich fühlte, wie sich seine Blicke auf mich richteten –, dass angesichts der jetzt anstehenden Reformen für modernen Fußball nicht das Schicksal des Einzelnen, sondern nur noch das System in der Gesamtheit relevant sei. Sein System. Zum Schluss erinnerte Fandel die Zweitligaschiedsrichter daran, dass sie selbst die Wahl hätten, durch gute Leistungen in die Bundesliga aufzusteigen und weiter zur FIFA. Der Konkurrenzkampf sei hiermit eröffnet, wobei er ein gefühlsloses Lachen hinterherschob. Dass damit der Teamgedanke verloren ging, schien im egal. Es war ein verheerendes Zeichen, das er da setzte.
    Bei Roth war absolute Loyalität das oberste Prinzip gewesen. Der Schiedsrichter sollte sich auf seine Assistenten blind verlassen können. Wenn ein Assistent auch nur im Ansatz fehlende Loyalität signalisiert hätte, wäre er von Roth umgehend aus dem Verkehr gezogen worden. Konkurrenzdenken im Team war ein absolutes No-Go. Entsprechend diszipliniert hatten sich die Assistenten verhalten und die vorgegebene Hierarchie loyal akzeptiert. Das fiel umso leichter, weil Roth hervorragende Leistungen und Loyalität anerkannte und diese Haltung mit späterem Aufstieg belohnte.
    Über Fandels Äußerung wurde diskutiert – allerdings nur auf dem Flur. Kollegen der zweiten Bundesliga sagten selbst, dass sie nun automatisch von jedem unserer Fehler profitieren würden, wenn sie bei Erstligaschiedsrichtern als Assistenten mitfahren würden. Eine weitere Vereinzelung der Schiedsrichter und die Entsolidarisierung des Teams war damit von der Teamleitung hinzunehmen, wenn nicht sogar zum Geschäftsziel erklärt worden.
    Ich schwieg die ganze Zeit über und fraß meine Gefühle in mich hinein. Am letzten Abend nahm ich allen Mut zusammen und ging auf meinen Hauptgegner Hellmut Krug zu und sagte ihm ganz direkt, ich hätte gehört, dass er nicht nur in der Schiedsrichterkommission Stimmung gegen mich machen würde, sondern auch über seine Kontakte zu Medienvertretern. Ich konfrontierte ihn gleich mit allem. Er tat dabei wie immer sehr unwissend, gab mit verschränkten Armen den Zuhörer, machte »mmh-mmh«, ohne sich dabei konkret zu meinen Vorwürfen zu äußern. Bedauerlicherweise ergab das Gespräch nichts Aufschlussreiches, da sich Krug aus meiner Sicht nicht sehr konstruktiv verhielt. Er wehrte alles ab und ließ mich ins Leere laufen. Ich versuchte, eine Ebene mit ihm zu finden. Aber er ließ es nicht zu. Am Schluss machte ich den im Nachhinein größten Fehler und schlug Krug vor, er solle doch mal zu mir ins Stadion kommen, um mich zu beobachten. Als erfahrener Schiedsrichter sei ich selbstverständlich bereit, meine Leistung und mein Auftreten zu optimieren. Er sei fachlich ein so guter Analytiker – wozu ich auch heute noch stehe – und mit seiner Hilfe könnte ich an mir arbeiten. Er sagte, dass er sich vordringlich um die Neulinge kümmere und schauen müsse, ob er das zeitlich einrichten könne. Wie konnte ich ahnen, dass ich mich knapp vier Monate später schlaflos in einem Hotelzimmer an diesen Abend zurückerinnern und Krug am nächsten Tag tatsächlich als Beobachter im Stadion sitzen und, so kam mir das jedenfalls vor und in gewisser Weise war da auch seine Aufgabe, wie ein Jäger auf der Pirsch auf meine Fehler lauern würde. Das Spiel Köln gegen Mainz war zu meinem Entscheidungsspiel geworden – mein Endspiel.
    Das Verrückte an meiner Situation: Während in der Bundesliga alles gegen mich zu laufen schien, hatte ich international eine gute Zeit, was meinen kaum begreiflichen Durchhaltewillen angesichts der vielen Anfeindungen zu Hause vielleicht besser erklärt. Das Spiel

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