Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
Gewichtsreduktion von etwa zehn Kilo. Ich merkte, wie meine Stärke und mein Selbstbewusstsein zurückkamen. Rouja unterstützte meinen Wahnsinn sehr großzügig, weil sie wusste, welche Bedeutung die Schiedsrichtertätigkeit für mich hatte. Eine andere Beziehung wäre unter diesen Verhältnissen sicher in die Brüche gegangen. Sie stand zu mir, obwohl ich längst nicht mehr der glänzende Promi Rafati war. Das war eine der wichtigsten Erkenntnisse dieser Krisenmonate, dass jemand zu mir hielt, weil sie mich als Mensch liebte – und nicht mein Ansehen, mein Haus, meine Yacht, mein Auto. Rouja war mein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl. Ich beschloss, ihr meine aufrichtige Liebe und Dankbarkeit zu zeigen für all das, was sie wegen mir auf sich genommen hatte.
Am letzten Abend unseres Urlaubs lud ich Rouja in das Restaurant im obersten Stock des Sechs-Sterne-Luxushotels Burj Al Arab ein. Als wir nach einem wunderschönen Essen oben im Abendwind auf der Terrasse standen, bestellte ich eine Flasche Champagner. Den Korken ließen wir weit in den sternenklaren Nachthimmel fliegen. Dann umarmte ich sie und gab ihr mit einem Kuss und mit einer roten Rose in der Hand das Versprechen, sie zu heiraten. Weil ich ihre genaue Ringgröße schlecht einschätzen konnte, hatte ich keine goldenen Verlobungsringe besorgen können, sondern zog die Verschlussringe zweier Colabüchsen aus der Tasche. Alu statt Gold. Rouja war sehr berührt. Unter Tränen umarmten wir uns und gaben uns das Versprechen, alle Höhen und Tiefen im Leben gemeinsam zu meistern. Wir standen noch lange an diesem Abend an diesem wundervollen Ort und blickten in den Sternenhimmel über dem Persischen Golf. Es war der schönste Moment meines Lebens. Dieser Neuanfang in Dubai, so war unser Wunsch, sollte alles negativ Erfahrene im Schiedsrichtergeschäft wieder einrenken und die positive Energie unserer Liebe zur Wende beitragen. Wir beschlossen auch, dass ich den Job als Schiedsrichter im Profifußball spätestens in zwei Jahren an den Nagel hängen wollte. In dieser guten Stimmung flogen wir zurück. Es schien, als hätten sich meine seelischen Verhärtungen gelöst. Ich hatte hart trainiert, war auf den Punkt fit und konnte es kaum abwarten, sportlich meine Qualität unter Beweis zu stellen und alle internen Zweifel beim DFB auszuräumen.
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Als ich Anfang Juli gestärkt zum Schiedsrichter-Sommerlehrgang ging hatten sich Fandel und Krug einen besonders herzlichen Willkommensgruß für mich ausgedacht. Ich kam extrem motiviert in unserem Tagungshotel an, begrüßte alle sehr herzlich und ging auf mein Zimmer, um die Sachen zu verstauen, nachdem mir am Empfang der übliche DIN-A4-Umschlag mit Programmablauf für den dreitägigen Lehrgang ausgehändigt worden war. Die Schiedsrichter werden bei Lehrgängen traditionell in drei Gruppen mit unterschiedlichen Leistungsprofilen eingeteilt: Zweitligaschiedsrichter, Bundesligaschiedsrichter und FIFA-Schiedsrichter. Ich war FIFA-Schiedsrichter und die Regelung der internationalen Instanz (UEFA) besagt, dass die FIFA-Zugehörigkeit immer vom 1. Januar bis zum 31. Dezember geht, und wir hatten erst Juli 2011. Als ich oben in meinem Zimmer den Briefumschlag öffnete, traute ich meinen Augen nicht: Ich stand nicht mehr auf der Teilnehmerliste der FIFA-Gruppe. Fandel und Krug hatten mich in die reine Bundesliga-Schiedsrichterliste abgestuft. Es ging ohne Vorwarnung gleich wieder los. Aus meiner Sicht war das, als ob sie ein eindeutiges Zeichen setzen wollten: Du bist nicht mehr erwünscht. Auf mich wirkte das wie eine würdelose Deklassierung. Mir zog es die Beine weg und ich sank auf dem Bett zusammen.
Als ich in den Besprechungsraum kam, beobachteten meine Kollegen mich gespannt wie Schmetterlingssammler, bevor sie ein besonders schönes Exemplar in den Kescher ziehen. Alle hatten das Programm gelesen – und wussten, wo ich jetzt stand. Mich sprach in der Folgezeit mindestens die Hälfte der ca. 40 anwesenden Schiedsrichter auf die Rückstufung an. Alle sagten, dass sie Fandels Vorgehensweise nicht nachvollziehen könnten. Aber keiner von ihnen sprang mir zur Seite und kritisierte das Vorgehen offen in der Gruppe. Wir waren Einzelkämpfer, keiner für alle – jeder für sich. Es wurde während der ganzen Tagung seitens der Verantwortlichen kein Wort darüber verloren. Alle warteten darauf, dass ich explodieren würde, weil Fandel und Krug einfach so zur Tagesordnung übergingen, als sei nichts geschehen. Aber ich
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