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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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immer mehr Kraft entzogen worden war, sie überzeugend auszufüllen. Ich hatte alle enttäuscht, die mich gefördert hatten. Der ganze Betrug dieser Scheinwelt, vor allem an mir und meiner Seele, war auf einen Schlag zusammengebrochen. Das Spiel war aus.
    Der Minutenzeiger der Klinikuhr sprang mit einem leisen »Klack« weiter und vermittelte mir in diesem Augenblick, dass mein Spiel Köln gegen Mainz zu Ende sein müsste. Abpfiff. Die Spieler und mein Team würden jetzt in die Kabinen eilen. Erschöpft, aber glücklich über ein gutes Spiel. So, wie es früher oft gewesen war. Ich aber lag hier, schaute erneut in den bodenlosen Abgrund einer vollkommenen Leere, fühlte den Schmerz der Scham, bis sich ein weiterer, furchtbarer Gedanke meiner bemächtigte: Wenn ich hier war, was war dann im Stadion passiert?
    In meinem verwirrten Zustand fragte ich mich sogar kurz, ob die Beteiligten etwa noch auf mich warteten. Wer hatte mein Spiel übernommen? Ich würde nie wieder ein Bundesligaspiel pfeifen und dieses Glücksgefühl erleben, vor einer Kulisse von 60.000 Fußballfans ein Spiel zu leiten. Ich konnte diese Gedanken nicht mehr ertragen und weinte hemmungslos. Ich war wieder der kleine, verlassene Junge, der dem davonfahrenden Auto seines Vaters verzweifelt hinterherruft, ohne Chance, es aufzuhalten, und sehnte mich nach der Nähe von Menschen, die mich beachteten und mir ihre Zuneigung schenkten. Ich wollte nur Trost, nur einmal gestreichelt werden und Liebe erfahren.
    ■ ■ ■
    Ich krächzte mit kraftloser Stimme, dass ich ein Telefon haben wollte, was man mir zunächst verweigerte. Mein Jammern und Flehen nahm kein Ende, die Ärzte sahen mir meine Hilflosigkeit an. Kurze Zeit später klingelte weiter hinten im Raum ein Telefon. Der Arzt nahm nach kurzem Läuten das Gespräch an, schaute mich nachdenklich an und hielt mir dann freundlich auffordernd den Hörer ans Ohr: »Ist für Sie!« »Hallo?« Mein Vater war dran und begann sofort zu weinen, als er meine Stimme hörte. Ich musste auch weinen, stammelte immer wieder Entschuldigungen für das, was ich angerichtet hatte, und bat um Verzeihung. Mein Vater machte mir keinen Vorwurf. Er wollte einzig und allein wissen, ob es mir wirklich gut gehe, ob ich verletzt sei – Hilfe brauche. Er war ganz nah bei mir. Wir weinten. Ich fragte nach Rouja. Mein Vater versuchte mich zu beruhigen, unterbrochen von seinem Schluchzen, und sagte, dass Rouja mit ihrer Mutter zusammen auf dem Weg zu mir in die Klinik sei.
    Im Hintergrund hörte ich plötzlich das Durcheinander sehr vieler Stimmen, Rufe und Klingeltöne von Handys. Die Wohnung meines Vaters musste voll mit Menschen sein, die an unserem Schicksal Anteil nehmen wollten. Genauso war es. Freunde, Familienmitglieder, Menschen aus aller Welt, selbst aus dem Iran, hatten ihn aufgrund der laufenden Berichterstattung in allen Medien angerufen, Mails geschrieben oder ihn gleich persönlich aufgesucht, darunter auch zahlreiche Reporter. Die einen wollten meinem Vater Trost zusprechen und ihm in diesen für ihn schwierigsten Stunden seines Lebens beistehen. Die anderen versprachen sich Informationen über meinen gesundheitlichen Zustand und die Hintergründe meiner Tat. Sie alle wollten nur eines wissen: Warum? Am liebsten von mir persönlich.
    Aber ich wollte meinen Vater für mich allein. Doch dafür blieb kein Raum. Ich hörte im Hintergrund, wie einer der Journalisten versuchte, das Gespräch von meinem weinenden Vater zu übernehmen, um mit mir ein Interview zu führen. Sie machten eben ihren Job. Ich ließ den Hörer kraftlos sinken. Mir wurde noch einmal schlagartig klar, welches Aufsehen meine Tat erzeugt hatte.
    Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, war, dass die Journalisten bereits vor dem Telefonat mit meinem Vater ein Interview geführt hatten und dass der Anruf bei mir auf Initiative der Medien erfolgt war, die sozusagen »live« die ersten Worte des gescheiterten Selbstmörders Rafati in alle deutschen Haushalte liefern wollten. Das Interview erschien am nächsten Tag im Kölner Express:
    »Das Rafati-Drama. Auch die Familie des Referees steht wie ganz Fußballdeutschland unter Schock. Alle fragen sich: Warum wollte Babak sich das Leben nehmen? Wir sprachen mit Djalal Rafati, dem Vater des Unparteiischen.
    Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihrem Sohn gesprochen?
    Ich habe Freitagabend und Samstagmorgen noch mit ihm gesprochen. Als Vater bin ich fix und fertig.
    Alle fragen sich, warum dies geschehen ist.
    Am

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