Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
etwas entschieden hat. Und: Rouja war die erste Frau in meinem Leben, die meine Fußballleidenschaft uneingeschränkt teilte und mit mir zusammen darin aufging.
Kurz nachdem wir uns 2010 kennengelernt hatten, saßen wir an einem Sonntag bei mir zu Hause vor dem Flatscreen und schauten Fußball. Ich wollte prüfen, wie sie das aushielt. Der ultimative Belastungstest für das Leben mit Babak Rafati. Wir schauten das erste, das zweite und das dritte Spiel. Ich beobachtete sie immer verblüffter aus den Augenwinkeln. Sie war voll dabei. Kannte bald alle Spieler und fragte nach den Regeln. Ich konnte es zunächst gar nicht fassen, dass sich eine Frau mit mir zusammen geduldig Fußballspiele anschaute, ohne jedes Anzeichen, genervt zu sein. Begeisterung für diesen Sport kann man nicht heucheln: Entweder es packt einen und man geht mit – oder man lässt es ganz schnell wieder bleiben. Als ich in die Küche ging, um einen Kaffee zu holen, musste ich mich kneifen, ob das alles wahr sein konnte: eine Frau, die sich für Fußball begeistert. Aber es war so. Rouja ging völlig darin auf. Bald rief sie mich regelmäßig nach meinen Spielen an, gab über Handy die Analysen und Kommentare der Reporter durch, die Bewertung der Zeitlupenaufnahmen bei kontroversen Entscheidungen und zusätzlich ihre eigene Meinung, die mir immer wieder ihr hohes Verständnis für den Spielverlauf und die dahinterstehende Taktik verriet. Rouja liebte Fußball. Und keineswegs nur deshalb liebte ich Rouja.
Unser Hintergrund und unsere Geschichte ähneln sich. Beide waren wir bemüht, hier in Deutschland unseren Platz und Anerkennung in der Gesellschaft zu finden. Als Rouja mit ihren Eltern 1999 nach Deutschland kam, war sie siebzehn und sprach kein Wort Deutsch. Sie hatte im Iran ihr Abitur gemacht – aber dieser Abschluss war in Deutschland nichts wert. Die deutschen Schulbehörden wollten ihr allenfalls zubilligen, die mittlere Reife nachzumachen. Rouja war empört und sagte, »Nein, das mache ich nicht«. Sie entschied sich für eine Sprachschule, die sie nach nur drei Monaten mit einem Zertifikat in Deutsch erfolgreich abschloss. Mit diesem Zertifikat durfte sie nach einigem Hin und Her auf das Gymnasium und ihr Abitur machen. Anschließend studierte sie International Business Management in England und schloss dieses mit einem MBA und zusätzlich mit einem Sprachdiplom in Business English und Spanisch mit der Note 1,3 ab.
Rouja beherrscht vier verschiedene Sprachen in Wort und Schrift, Deutsch, Persisch, Englisch, Spanisch und bekam gleich einen Job bei einem renommierten Frankfurter Unternehmen. Rouja war genauso leistungsorientiert und diszipliniert wie ich, auch sie wollte nach oben und allen beweisen, dass sie ihren Platz in dieser Gesellschaft verdient hat. Wir teilten die Ansicht, dass man besonders viel leisten muss, wenn man einen Migrationshintergrund hat, nach oben strebt und in diesem Land eine neue Heimat finden will. Diesen unbedingten Willen hatten wir beide. Und wir hatten Erfolg.
Weil Rouja selbst Karriere machte, verstand sie nur zu gut, was es für mich bedeutete, nach einem doppelten Job in der Bank und auf dem Fußballplatz völlig kaputt nach Hause zu kommen. Rouja arbeitete selbst sehr hart. Abends lagen wir uns oft müde in den Armen, unfähig, auch nur eine Pizza zu bestellen. Wir bauten uns dann immer gegenseitig auf, taten uns etwas Gutes, umsorgten und pflegten uns, einer war für den anderen da. Und noch heute ist es so, dass wir aus diesem Verständnis heraus sehr sorgsam miteinander umgehen und uns beide sagen: Egal, wie kaputt ich bin, das tue ich jetzt noch für meinen Partner. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Ein unbezahlbares und somit wertvolles Gut.
Die erste Zeit unserer Liebe konnte ich gar nicht glauben, was für ein Engel da in mein Leben getreten war, ich wartete immer darauf, dass es Krach geben würde wegen Fußball, so wie es immer irgendwann so weit gewesen war in meinen vorherigen Beziehungen. Aber es kam kein Krach. Ich dachte oft: »Mensch, das gibt‘s doch gar nicht, da gehst du jetzt drei, vier, fünf Tage zu Fußballspielen, kündigst obendrauf noch einen einwöchigen Lehrgang an – und nichts passiert? Keine Vorwürfe, keine krachenden Türen? Kein Ärger?« Rouja war viel zu selbstständig, als dass sie nichts mit ihrer knappen Freizeit anzufangen gewusst hätte. Mit Rouja hatte ich eine Frau an meiner Seite, die nicht etwa klagte: »Und wo bleibe ich?« Sondern da stand diese
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