Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
Bundesliga, widerspricht dem Lamento in den Medien über eine angebliche Belastung der Schiedsrichter vehement. Die Branche brauche die Schiedsrichter nicht »in Watte (zu) packen«, sagt er in einem Interview. »Es ist ein Privileg, Bundesliga zu pfeifen. Wer es nach da oben geschafft hat, braucht kein Mitleid.« Die Debatte darüber nennt Merk einen »Aktionismus, der äußerst bedenklich ist«.
Auch für den Vertrauensmann der Schiedsrichter im DFB, Rainer Domberg aus Heidenheim, ist der öffentliche Druck kein entscheidendes Problem der Spitzenreferees. »Es gab bisher noch niemanden, der sich über den Druck oder den Stress beklagt hat«, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. »Es gibt nicht so viele Probleme bei Schiedsrichtern, wie es im Moment nach außen den Anschein hat.«
Der 38-jährige FIFA-Schiri Manuel Gräfe, 130 Ligaeinsätze, einer der wenigen Schiedsrichter, der den Mut hat, öffentlich Kritik zu äußern, klagt später zum Beginn der Bundesliga-Winterpause im Fußballmagazin »11 Freunde«: »So eine extreme Hinrunde wie diese habe ich in den 13 Jahren meiner DFB-Tätigkeit noch nicht erlebt. Viele von uns sind am Limit der Belastbarkeit – sowohl physisch als auch psychisch. Die Schiedsrichter sind bis zum Vorfall mit Babak Rafati von verschiedenen Klubs permanent medial angegangen worden, wie es das in den letzten Jahren in der Form nicht gegeben hat. Das Verhalten mancher Trainer und Funktionäre und ihre Aussagen in Interviews waren absolut inakzeptabel. Ich selbst hatte durchaus erwartet, dass etwas Außergewöhnliches passieren könnte, wenn auch nicht in dieser Form.«
Danach hört man kritische Stimmen aus dem System Schiedsrichter offiziell nicht mehr. Inzwischen gibt es DFB-intern eine Absprache zwischen den im Verband für die Belange der Bundesliga-Schiedsrichter zuständigen Personen, dass sich nur noch einer in der Öffentlichkeit zu diesem Thema äußern darf: Herbert Fandel. »Erst wollen wir abwarten, bis wir mehr über die Gründe wissen und es Babak besser geht. Dann werden wir uns zu gegebener Zeit äußern.« Danach wurde es schlagartig ruhig. Fandel wusste, dass es mir die letzten Wochen und Monate alles andere als gutgegangen war und ihm musste bewusst gewesen sein, dass er daran nicht völlig unschuldig war. Somit hatte er aus meiner Sicht allen Grund, die Dinge selbst zu regeln. Jede Kritik im Schiedsrichterwesen war damit verstummt.
■ ■ ■
Meine Rückkehr ins Leben ist weiß. Ich sehe nur weiß. In grelles Licht getauchtes Weiß, das mich so blendet, dass ich es nicht schaffe, meine verklebten Augen weiter als einen Spalt zu öffnen. Ich kann mich nicht aufrichten, fühle keine Kontrolle über meinen Körper, es ist, als habe man mich gefesselt. Immer wieder fallen mir vor Erschöpfung die Augen zu, aber ich realisiere langsam, dass ich in einer Klinik bin. Hände legen sich auf meine Schultern, versuchen mich zu beruhigen. Warum liege ich in einem Krankenbett? Was ist passiert, wer sind diese vielen Menschen um mich herum, die mich versorgen und mir das Kissen unter den Kopf schieben? Warum unterhalten sich die Schwestern so heimlich miteinander? Was wollen sie vor mir verbergen? Bin ich denn nichts wert? Oder warum spricht niemand mit mir? Sie müssen doch sehen, dass ich aufgewacht bin. Ist das hier wirklich oder träume ich das alles nur? Der Schmerz ist kein Traum. Der Schmerz ist der Feind aller Träume. Mein Blick fällt auf meine Arme, die wie bei einer Mumie mit weißen Verbänden umwickelt sind. Ich denke, so werde ich niemals das Spiel anpfeifen können, was werden die Spieler sagen, und versuche, die Arme unter der Decke zu verstecken. Die abrupte Bewegung löst Wellen des Schmerzes in mir aus und gleichzeitig spüre ich mit grausamer Macht ganz langsam etwas in mir zurückkommen, das mich in noch größere Ängste versetzt. Die Erinnerung.
Ich war noch wie benebelt, drehte mich sehr langsam und wollte aus diesem Bett heraus, weg von den aufleuchtenden Erinnerungsfetzen, den Filmstreifen, die erneut zu laufen begannen und immer wieder abbrachen. Aber meine fehlende Kraft und die Hände der Pflegerinnen, die mich sanft auf das Bett zurückdrückten, verhinderten diesen Drang. Ich spürte jetzt Schwäche im ganzen Körper, im Brustbereich spürte ich ein dumpfes Ziehen am Herzen. Als mein herumirrender Blick auf der großen Wanduhr hängen blieb, war es 16:30 Uhr. Mir fiel auf, dass ich doch jetzt zur zweiten Halbzeit im Stadion anpfeifen müsste. Oh
Weitere Kostenlose Bücher