Ich sehe dein Geheimnis
betrog, und in der Nacht bevor sie wegfuhr, hatten die beiden einen großen Streit. Sie sagte ihm, es sei vorbei. Ich hätte einfach den Mund halten sollen. Aber ich dachte, nun sei es an der Zeit, die ganze Wahrheit auszusprechen. Also sagte ich ihr, dass Joel sie mit mir betrogen hatte.«
»Und wie hat sie es aufgenommen?«, fragte ich.
»Sie ist ausgerastet.« Joni spielte mit dem Anhänger um ihren Hals. »Sie gab mir die andere Hälfte des Herzens zurück und sagte, wir seien keine Freunde mehr. Und würden es nie wieder sein.« Sie sank in sich zusammen. »Vicki verließ die Stadt. Ich dachte, sie würde sich in den paar Tagen beruhigen und wir könnten nach ihrer Rückkehr reden. Vielleicht sogar die Wogen glätten. Aber jetzt können wir nie wieder miteinander sprechen.«
»Ist sie wirklich allein hierher gekommen?«, wollte ich wissen.
»Ich glaube schon«, meinte Joni. »Obwohl ihr das gar nicht ähnlich sieht.«
»Kannte sie hier unten jemanden?«, fragte Mom.
»Nicht dass ich wüsste, aber …«
»Aber was?«, fragte ich.
»In den Wochen bevor alles aufflog, hatte ich das Gefühl, dass Vicki etwas vor mir geheim hielt. Ich war paranoid und befürchtete, sie würde allmählich eins und eins zusammenzählen und das mit Joel und mir herausfinden. Aber sie wusste wirklich nichts davon. Also … hatte sie vielleicht ihr eigenes Geheimnis.«
»Wusste Joel, dass sie hierher kommen wollte?«
»Nein, aber das war nicht schwer herauszufinden. Ihre Mom hat mir gesagt, wohin sie gefahren ist.«
»Könnte er ihr hierher nachgereist sein und …«
»Sie getötet haben?«, beendete Joni den Satz für mich. »Wahrscheinlich. Ich wüsste nicht, wer es sonst getan haben sollte. Sie hatte mit niemand anderem Schwierigkeiten. Sie hatte einfach nur Pech und kein gutes Urteilsvermögen. Man muss sich nur ansehen, wen sie sich zum Freund und zur besten Freundin ausgesucht hat.« Sie starrte auf den Tisch. »Dummes Mädchen.«
»Du musst mit der Polizei sprechen«, sagte ich. »Und erzählen, was du weißt.«
Sie schob den Stuhl zurück. »Nein. Ich will da nicht hineingezogen werden.«
Ich fragte mich, ob ich sie überreden sollte, aber ein Blick zu Mom beantwortete diese Frage. Mom las ihre Gedanken und sie dachte nur an Flucht.
Aber Joni durfte nicht gehen. Sie musste der Polizei von Joel erzählen. Und zwar bevor die etwas über Perry erfuhren und ihre Aufmerksamkeit auf ihn richteten.
Ich war froh, dass Gabriel und ich aufgrund unserer Zusammenarbeit Telefonnummern ausgetauscht hatten. Unter dem Tisch schrieb ich ihm heimlich eine SMS: POLIZEI SOLL JETZT ZU UNSEREM HAUS KOMMEN!
Meine Mutter bot Joni Wasser an, das sie förmlich hinunterstürzte. Ich hielt sie mit einer schöneren Vision bei Laune, die mir der Anhänger gezeigt hatte.
»Ich sehe dich und Vicki. Ihr seid gleich angezogen, in weißen Hemden mit schwarzen Fliegen. Ihr flüstert und lacht.«
»Wir arbeiten bei einem Catering-Service«, sagte Joni und benutzte immer noch das Präsens. »Wir bedienen auf diesen schicken Partys und Veranstaltungen in der Stadt. Man verdient ganz gut und es macht auch noch Spaß.«
Joni schien die Erinnerung zu genießen, stand jetzt aber trotzdem auf und wollte gehen.
»Komm wieder, wenn du noch einen Termin brauchst oder einfach nur reden willst«, sagte Mom und brachte sie in die Diele.
In diesem Moment kamen Anthony und Gabriel Toscano herein. Gabriels dunkle Augen waren voller Sorge, und mir wurde klar, dass meine SMS zu vage gewesen war. Er dachte vielleicht, ich bräuchte Hilfe.
Und er war selbst gekommen, statt jemand anderen zu schicken.
Ich zwang mich, nicht darüber nachzudenken und auch nicht darüber, wie er in diesem Moment aussah. Stattdessen konzentrierte ich mich auf das Naheliegende: Joni.
»Kommisar Toscano«, begrüßte ich Gabriels Dad. »Danke, dass Sie gekommen sind.«
Joni wich zurück.
»Das ist Joni«, sagte ich zu Gabriel. »Sie hatte gerade eine Séance bei uns. Sie war Victoria Happels beste Freundin und wollte, dass ich dich hierher hole und sie dir erzählen kann, was sie weiß. Vor allem über Victorias Exfreund.«
Joni starrte mich wütend an – ich hatte sie getäuscht. Ein bisschen schuldig fühlte ich mich schon, aber sie hatte ihre beste Freundin hintergangen. Das Mindeste, was sie tun konnte, war, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen und der Polizei wichtige Informationen zu geben. Dann wäre Perry nicht mehr verdächtig und das alles könnte bald vorbei sein. Und
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