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Ich sehe dein Geheimnis

Ich sehe dein Geheimnis

Titel: Ich sehe dein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrington
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Mantra und zwang mich, wieder einzuschlafen.
    In meinem nächsten Traum hatte ich mich im Wald verlaufen, wusste nicht, in welche Richtung ich gehen sollte, und war so müde, dass ich schließlich auf den Waldboden sank. Ich bewegte mich nicht. Insekten knabberten an meiner Haut. Ich schrie nicht, und ich wachte nicht auf, weil ich wusste, dass es nur ein Traum war und dass die Insekten, die an mir knabberten, nur meinen nagenden Zweifel verkörperten.
    Zweifel an Perry.
    Ich sah Nachrichten und las Zeitung. Meistens war die letzte Peson, die mit dem Opfer gesehen wurde, auch der Mörder. Aber Perry war mein Bruder. Und er hatte keinen Grund, so etwas zu tun. Außerdem hatte er mir geschworen, dass Victoria noch am Leben war, als er ging.
    Lügt Perry etwa nie? Der Insektenchor lachte über meine Naivität.
    Ich dachte an all die Geschichten, die Perry den Mädchen über seine Narbe und über andere Dinge erzählte. Ja, das waren Lügen, aber sie waren harmlos, mit ihnen wollte er die Mädchen nur verzaubern. Er lügt Mädchen an, die ihm egal sind. Aber mich lügt er nicht an , antwortete ich den Insekten.
    Jetzt hast du es selbst gesagt: Mädchen sind Perry egal, sangen die Zweifel. Er macht mit einem Schluss und zieht weiter zum nächsten. Ihre Leben sind ihm gleichgültig.
    Haltet den Mund! Das Echo meiner Stimme hallte so laut durch den Wald, dass ich aufwachte und senkrecht im Bett saß.
    Ich hatte tatsächlich laut geschrien.
    Mom kam hereingestürmt und knallte die Tür dabei gegen die Wand. »Alles in Ordnung?« Sie sah sich verwirrt um. »Was machst du noch im Bett?«
    Ich blinzelte Richtung Wecker. Es war zehn Uhr morgens.
    »Entschuldige, Mom.« Ich rieb mir die Augen. »Ich stehe jetzt auf.«
    »Hast du deinen Bruder heute schon gesehen?«
    »Nein, warum?«
    Mom seufzte und ballte die Fäuste. »Er weiß, dass du mit der Polizei beschäftigt bist, und hat mir versprochen, den ganzen Tag zu arbeiten. Heute ist viel los. Heute Abend ist das Feuerwerk am Strand. Den ganzen Tag werden Leute hier vorbeigehen, viele werden einen Termin buchen. Einen unangemeldeten Kunden, der darauf wartet, dass es losgeht, haben wir schon. Und Perry hat mich im Stich gelassen.«
    Ich schob die Gedanken an Perry weit weg. Über all das konnte ich jetzt nicht nachdenken.
    Ich setzte mich auf die Bettkante. »Ich kann die Séance mit dir abhalten.«
    Moms Gesicht hellte sich auf. »Wirklich? Und das macht dir nichts aus? Ich weiß, dass du beschäftigt bist.«
    »Kein Problem. Gabriel hat noch nicht angerufen.« Ich stand auf und streckte mich. »Gib mir fünf Minuten.«
    Zum Duschen blieb keine Zeit, also spritzte ich mir nur etwas kaltes Wasser ins Gesicht und band meine Haare zum Pferdeschwanz. Ich zog ein graues T-Shirt und dunkelblaue Shorts an. Schließlich tupfte ich noch etwas Lipgloss auf meine Lippen.
    Dann lief ich hinunter und hielt erst inne, als mein Blick auf die Zeitung fiel. Sie lag auf dem Beistelltisch. Die Schlagzeile lautete: Teenagermord: Nur wenige Spuren. Ich nahm die Zeitung und starrte auf das Foto von Victoria Happel. Ich hatte zwar ihren Tod in meiner Vision gesehen, kannte aber ihr Gesicht nicht. In meinen Visionen sah ich das Geschehene immer aus der Perspektive der jeweiligen Person.
    Victoria sah nicht wie eine typische Achtzehnjährige a us. Sie war hübsch wie ein Model, hatte lange dunkl e Haare, einen sinnlichen Körper und braune Augen, die irgendwie älter und reifer schienen, ihr Blick wirkte provozierend. Ihr Mund deutete ein Lächeln an. Ich war traurig. Sie würde nie wieder lachen.
    Vom Wohnzimmer hörte ich ein deutliches Räuspern von Mom. Ich legte die Zeitung weg und ging schnell hinein. Alles war schon vorbereitet – gedämpftes Licht, flackernde Kerzen. Die Kundin war ein Mädchen, kaum älter als ich selbst, das sich aufrecht hinsetzte, als ich hineinkam. Sie sah aus, als bräuchte sie eine Dusche und viel Schlaf. Vielleicht hatte sie sogar eine schlimmere Nacht hinter sich als ich.
    Das Mädchen nickte langsam, ihre Augen waren ausdruckslos.
    »Wie heißt du?«, fragte Mom.
    »Joni«, flüsterte sie kaum hörbar. Ihr langes braunes Haar hing kraftlos herunter und bedeckte die Hälfte ihres Gesichts. Sie spielte an einem eingerissenen Fingernagel herum. Alle anderen waren bis auf die Haut abgekaut.
    »Wie hast du von uns erfahren?«, wollte ich wissen.
    »Ich habe euren Flyer in der Stadt gesehen. Ich habe vor Kurzem eine Freundin verloren.« Sie kaute einen Augenblick auf ihren

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