Ich sehe dein Geheimnis
Vat–«
»Clare«, sagte eine Stimme hinter mir. Es war nicht Nates Stimme, aber sie war mir genauso vertraut.
»Ich gehe dann mal«, sagte Nate. »Wenn du den Idioten siehst, sag ihm, dass ich wütend bin, weil er mich versetzt hat.«
Ich drehte mich um.
»Den Idioten?«, fragte Justin.
»Ja, du bist nicht der einzige in dieser Stadt. Wer hätte das gedacht?«
Er lächelte. Jedes Mal, wenn ich ihn verletzten wollte, lächelte er einfach. Ich musste mir mehr Mühe geben.
»Du siehst heute wunderschön aus«, sagte er und musterte mich von oben bis unten. »Dieses Kleid hattest du auch bei unserem Picknick im Frühling an. Weißt du noch, es war der erste warme Tag des Jahres …« Er verstummte.
»Ich würde ja zu gerne in Erinnerungen schwelgen, Justin, aber ich habe zu tun.«
Ich wollte gehen, aber er fasste mich sanft am Arm. Ein Liebespaar sah uns ärgerlich an, weil es sich kurz trennen musste, um Justin und mich zu umrunden.
»Es tut mir leid, Clare. Ich weiß nicht, wie oft ich das noch sagen soll. Oder auf wie viele verschiedene Arten ich es sagen muss, um es zu beweisen. Aber es tut mir leid.«
»Das ändert nichts an dem, was geschehen ist.«
»Ich weiß, aber ich hatte gehofft …«
»Was hattest du gehofft? Dass wir wieder ein Paar werden? Dass zwischen uns alles wieder so wird, wie es einmal war? Dass ich dich ansehen könnte, ohne an die Sache mit Tiffany zu denken?«
Eine Glocke läutete laut, als ein Mann beim Hau-den-Lukas den Hammer niedersausen ließ. Seine Freundin klatschte aufgeregt. Er überreichte ihr seinen Gewinn, einen weißen Teddybär, und bekam zur Belohnung einen Kuss.
Justin sah zu Boden. »Nein, ich weiß, dass so etwas nicht möglich ist. Momentan hatte ich nur gehofft, dass du aufhören würdest, mich zu hassen.«
Das besänftigte mich ein wenig. »Du weißt, dass ich dich nicht hasse«, flüsterte ich.
Der Wind blies mir eine Haarsträhne über die Augen und er strich sie mir hinters Ohr. Seine Finger ruhten einen Augenblick lang auf meinem Hals,bevor er sie wegzog. Ein Teil von mir wollte ihm vergeben. Ein Teil von mir wollte, dass alles wieder so war wie früher. Ich war nie zuvor so glücklich gewesen wie mit ihm. Ich blickte in seine tiefblauen Augen.
»Da bist du ja!«
Als wir Gabriels laute Stimme hörten, sprangen Justin und ich auseinander wie zwei Pubertierende, die beim Knutschen erwischt worden waren.
»Was ist los?«, fragte ich und verdrängte, was sich eben zwischen Justin und mir abgespielt hatte.
»Ich habe dir eine SMS geschrieben. Du hast nicht geantwortet, deshalb habe ich mir Sorgen gemacht.«
Sorgen? Um mich? Ich holte das Handy aus der Tasche. »Tut mir leid, ich habe den Ton nicht gehört.«
Gabriel sah Justin an. »Hallo.«
Justin nickte ihm zu. »Hallo.«
»Hast du Billy oder Frankie gesehen?«, fragte ich Gabriel.
»Nein.« Er sah sich um. »Ich glaube kaum, dass sie hier bei den Fünfjährigen sind. Was machst du hier?«
Ach, ich führe nur ein unangenehmes und emotionales Ges präch mit meinem Exfreund. Sonst nichts. »Justin hat mic h aufgehalten. Ich bin auf dem Weg nach dort drüben.« Ich zeigte auf einen Teil des Strandes, auf dem ein paar Jungs Football spielten. »Diese Seite habe ich noch nicht abgesucht.«
»Okay«, sagte Gabriel. »Ich werde bei den öffentlichen Toiletten nachsehen.« Doch statt zu gehen, wartete er und blickte zwischen mir und Justin hin und her.
»Ich lasse euch mal weiterarbeiten«, sagte Justin, als er es endlich verstanden hatte.
Wir drei gingen in unterschiedlichen Richtungen davon. Ich betrachtete eine Gruppe, die um ein kleines Lagerfeuer saß. Ihre Gesichter waren von dem flackernden Feuer erhellt und ich ließ meinen Blick von einem zu anderen schweifen. Die Jungs, die Football gespielt hatten, versorgten sich gerade mit Bier aus einer Kühltruhe. Ich ging näher heran. Hier war der Sand tiefer, nicht hart und dicht gedrängt wie im Festber eich. Ich schlüpfte aus meinen Sandalen und nah m sie in die Hand. Die Jungs sahen zu mir herüber, als ich vorbeiging. Ich versuchte, jedem ins Gesicht zu sehen und dabei nicht den Anschein zu erwecken, sie zu kontrollieren. Keine Spur von Billie oder Frankie. Ich ging weiter und ließ das Klirren der Flaschen und das maskuline Lachen hinter mir zurück.
Plötzlich musste ich über ein Pärchen steigen, das auf einem Strandtuch lag und dringend ein Zimmer nötig gehabt hätte. Ich sah in die andere Richtung und entdeckte dabei Stephen Clayworth,
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