Ich sehe dein Geheimnis
die ein ganzes Catering-Team gepasst hätte. Dabei erzählte er mir etwas über die Gemälde, Skulpturen und andere interessante Dinge, an denen wir vorbeikamen. Er führte mich zu einem großen Panoramafenster, von dem aus man den Swi mmingpool und den riesigen Garten sehen konnte. Hier fanden also all die Partys statt, zu denen ich nicht eingeladen war.
»Willst du mein Zimmer sehen?«, fragte er verlegen.
Genau deshalb war ich hier, aber ich wollte nicht, dass er einen falschen Eindruck bekam. Ich wollte Informationen, aber keine Herumknutscherei. Nach einer kleinen Pause sagte ich: »Klar, wenn du mich dann gleich noch weiter rumführst?«
Er nickte und ich folgte ihm die Treppe hinauf und durch einen langen Flur. Sein Zimmer war riesig und hatte ein Fenster zum Pool. Anders als in Perrys Schweinestall war hier alles ordentlich. Das Bett war gemacht, der Schreibtisch sauber, die Kommode staubfrei. Eher wie in einem Hotel als in einem Jungszimmer. Das war wohl der Vorteil einer Haushälterin.
Ich sah mich um und strich über die Oberflächen der Möbel. Dabei machte ich Small Talk, damit Stephen nicht merkte, dass ich mit meiner Gabe nach etwas suchte.
»Du hast ein sehr schönes Zimmer.«
»Meine Mutter hat einen richtigen Ordnungsfimmel. Wenn ich für ein paar Minuten aus dem Zimmer gehe und ein Buch auf dem Tisch liegen lasse, ist es auf wundersame Weise aufgeräumt, wenn ich zurückkomme.«
»Das ist doch gar nicht übel«, sagte ich und strich über die Tastatur. »Immerhin musst du nicht selbst aufräumen.«
Er lehnte sich an die Wand. »Ja, aber ich darf nicht einmal Poster aufhängen.«
»Du kannst bald dein Zimmer im Studentenwohnheim mit Postern pflastern.« Ich lächelte, obwohl ich alles andere als froh war. Diese Suche war sinnlos. Ich hatte ein paar undeutliche Visionen, aber sie zeigten nur Banales – meistens die Haushälterin beim Saubermachen. Ich brauchte eine Vision über jenen Abend im Yummy’s.
Stephen faselte weiter, wie sehr er sich auf das College freue und darauf, Eastport hinter sich zu lassen, während ich fieberhaft nachdachte. Ich brauchte etwas, das er an jenem Abend im Restaurant bei sich gehabt hatte. Ich versuchte mich zu erinnern, was er angehabt hatte, aber es fiel mir nicht ein. Und ich konnte ihn auch nicht fragen, ohne dass er Verdacht schöpfte. Doch dann kam mir eine Idee.
Ich erinnerte mich an Cecile Clayworths wunderschönes grünes Kleid. Sie besaß so viele Kleider, dass sie dieses eine in der vergangenen Woche ganz sicher nicht noch einmal getragen hatte.
»Kann ich mal das Bad benutzen?«, unterbrach ich Stephens Erzählung von der Party anlässlich seines Abschlusses.
»Klar, den Flur entlang und dann rechts.«
»Okay. Und wenn ich wiederkomme, würde ich gerne ein paar Fotos von deiner Abschlussfeier sehen.« Ich lächelte ihn an. Bestimmt würde er ein paar Minuten brauchen, um sie herauszusuchen.
Ich ging den Flur entlang und hoffte, die letzte Tür würde ins Schlafzimmer von Stephens Eltern führen. Bingo. Wo war ihr Kleiderschrank? Ich öffnete eine weitere Tür und schnappte nach Luft.
Cecile Clayworths begehbarer Kleiderschrank war ein Traum. Ihr Schuhregal erstreckte sich über eine ganze Wand. In den anderen Regalen war der Farbe nach geordnete Kleidung untergebracht.
Schnell fand ich das smaragdgrüne Kleid, das ich auf dem Überwachungsvideo so bewundert hatte. Ich ließ die Finger über den Stoff gleiten und öffnete meinen Geist. Zuerst sah ich nichts, doch ich befühlte das Kleid weiter, bis ich zum Gürtel gelangte. Hier hatte Stephen seine Mutter umarmt, als sie ihn aus dem Yummy’s begleitet hatte.
Dann kam die Vision. Blitzschnell, wie eine Kugel.
Ich sah Stephen betrunken auf Victoria Happel zuwanken, die auf einem Barhocker saß. Es war ohrenbetäubend laut. Ich verstand nichts, aber er schien sie anzumachen. Victoria verdrehte die Augen und drehte sich weg. Stephen wurde knallrot. Er ging ganz dicht an sie heran und sprach eindringlich direkt in ihr Ohr.
Die Bilder und Geräusche verschwommen. Das Gefühl der Wut dominierte jetzt die Vision. Ich wurde von wütenden Gedanken überschwemmt.
Sie wird alles verderben.
Ich habe so hart gearbeitet, um es bis hierhin zu schaffen.
Diese kleine Nutte darf mir das alles nicht wegnehmen.
Die Gefühle waren so stark, dass ich nach Luft rang.
»Was machst du hier?«
Ich ließ das Kleid fallen und fuhr herum. Stephen stand im Türrahmen und sah mich an.
»Nichts«, sagte ich und
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