Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
Vom Netzwerk:
schließlich: »Eveline Klopsch from Germany.« Ganz ehrlich – mein Name hat mir das Leben gerettet. Alle, die Bluebells und die Leute unten, brachen in Gelächter aus. Who is this? Wen haben sie denn da angeschleppt? My goodness! Eveline Klopsch.
    Ich war der Fremdkörper der Truppe und ich benahm mich auch so. Weil ich noch nicht an der Reihe war, ging ich zu einer Tür seitlich der Bühne. Den langen Griff dort nutzte ich als Stange und machte Pliés , ganz demonstrativ. Ich hätte mich auch mit den anderen Mädchen in den Zuschauerraum setzen und den Tänzerinnen zusehen können, aber ich wollte zeigen: Ich bin wirklich toll und kann etwas ganz Besonderes, das könnt ihr sicher gebrauchen. Miss Bluebell und die anderen sahen das durchaus, nur interessierte es sie nicht. Dann hieß es plötzlich: Jetzt ist die Klopsch dran! Und da war es vorbei mit toll.
    Ich konnte nichts von dem, was sie wollten. Es war mir schier unmöglich. Die Bewegungen erschienen mir völlig fremd, ich hatte ja nicht einmal Jazzdance gelernt in all den Jahren an der Oper. Jetzt brach mir meine strenge Klassik das Genick. Ich war außerstande, mich in hohen Schuhen zu bewegen, und dieses weibliche Sichwiegen und Drehen und Beinewerfen hatte nur wenig mit ernsthaftem Tanz zu tun. Es gab Mädchen, die hatten gar keine Ausbildung, aber dies konnten sie. Kick links, Kick rechts, kein Problem. Und es gab mich, die supergedrillte Solotänzerin, die hier nichts mehr konnte. Niemals hatte ich damit gerechnet. Noch in Paris war mir alles so schön und einfach erschienen. Vielleicht wäre es mir dort leichter gefallen, weil ich die Stadt so mochte. Doch in Las Vegas war alles schwer. Das Neue stürzte mit Gewalt auf mich ein, das Gewicht auf meinen Hüften zog mich runter, mein Kopf setzte aus. »Now the five then six you go …«, bellte der Choreograf durch die Lautsprecher – was meinte er nur? Mein Englisch kapitulierte vor diesem Slang, mein geliebtes Ballettfranzösisch war weit weg, wie auf einem anderen Planeten. Ständig lief ich in die falsche Richtung, immer musste alles schnell gehen. Beim klassischen Ballett arbeitest du langsam und zu zweit mit dem Choreografen. Du kommst raus, machst ein Dégagé , dann kommt er und hält dich, du drehst eine Pirouette, dann folgt die Arabesque , alles im ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus. Dann von vorn mit Musik. Der Pianist hört auf und setzt wieder ein, wie du ihn gerade brauchst. In Las Vegas lief das Tonband erbarmungslos weiter: »Ah, Baby, bab mh dadada …« – das war so fremd. Wie ein kopfloses Huhn lief ich zwischen den anderen, weder im Takt noch in der Reihe. Die Choreografen rollten die Augen und schüttelten den Kopf, doch dann lachten sie wieder und nahmen es mit Humor. Ohne diesen Humor hätten sie mich niemals ertragen. Ich aber fand mich gar nicht komisch, ich bewegte mich wie über einem Abgrund, immer kurz davor abzustürzen. Mir war, als hätte ich nie etwas gelernt. Ich hatte nichts mehr zu bieten. Ich konnte nichts, ich war nichts, nur noch Eveline Klopsch.
    Und Klopsch wurde immer mehr. Mit jedem Tag wuchs meine Verzweiflung und mit ihr mein Appetit. Fatalerweise kam ich leicht an das Essen heran, das die Köche für die Gäste am Abend zubereiteten. Während wir probten, liefen die Kellner mit vollen Tellern durch den Zuschauerraum und stellten sie in Nebenzimmern ab. Dieser Verlockung konnte ich nicht widerstehen. Wann immer ich Pause hatte, schlich ich hinüber und aß, am liebsten die Brötchen, und die hattens in sich. Zuckrig wie Muffins und voller Nüsse – zu meinen Pariser Kilos kamen immer mehr hinzu.
    An Aufgeben war trotzdem nicht zu denken. Die ersten zwei Wochen durchstand ich wie in Trance. Wir probten jeden Tag bis vier Uhr nachmittags, dann wurde der Zuschauerraum für die Gäste eingedeckt. Am Abend sahen wir die Show, nachts konnte ich nicht schlafen vor Angst. Unglücklich und wie gelähmt lag ich in meinem Bett, stand morgens schon mit weichen Knien auf. Doch kündigen, zurückfliegen nach Deutschland? Ich kam nicht einmal mehr auf die Idee. Sie hatten mich gebucht, sie brauchten mich, ich musste das durchziehen. Wenn eins noch funktionierte, dann meine Disziplin. Auch meinen Eltern schrieb ich nichts von meiner Not. Schnell geriet ich auch mit meiner Mitbewohnerin Yvonne aneinander. Ich sollte ihren Hund ausführen, er lief mir weg, sie schimpfte: »Oh Eveline, du bist einfach zu ungeschickt!«
    Was dann passierte, traf mich völlig unerwartet. Je

Weitere Kostenlose Bücher