Ich Stell Mein Herz Auf Sommerzeit
Ferngespräch?«
Ich erinnere mich weder an Namen noch an Gesichter ehemaliger Flammen meiner Kinder. Aber ihre Vorwahlnummern weiß ich heute noch auswendig.
Einer meiner Söhne ging ein halbes Jahr lang mit der Vorwahlnummer 513. Es kostete uns meiner Schätzung nach ungefähr 35 Dollar im Monat, an Erkenntnissen wie den folgenden teilzuhaben:
»Was tust du denn so?«
»Nichts, und du?«
»Ich will dich aber nicht stören, wenn du gerade was tust.«
»Ich hab dir doch gesagt, ich tu gar nichts.«
»Bestimmt nicht?«
»Bestimmt.«
»Aha. Und was gibt's Neues?«
Ein anderes meiner Kinder interessierte sich für ein süßes Mädchen, das nur ein paar Kilometer von uns entfernt wohnte. Das war großartig. Ich brauchte mir nie Sorgen darum zu machen, ob die beiden miteinander zu weit gingen, denn sie waren nie anderswo als am Telefon. Er stellte sich den Wecker, um sie morgens anzurufen. Nachts ging ich gewöhnlich in sein Zimmer und nahm ihm – er schlief schon – sanft den Hörer vom Ohr. Es war, als hinge er an einer Nabelschnur. Nachmittags, wenn die beiden aus der Schule kamen und sich voneinander verabschiedeten, riefen sie sich noch zu: »Ich ruf dich gleich an, wenn ich heimkomme.« Ich bot ihm an, ihn intravenös zu ernähren.
Der Vorschlag meines Mannes, eine Sanduhr neben dem Telefon aufzustellen, war albern. Aber ich schob wenigstens einen Kalender unter der Zimmertür des Knaben hindurch und kreuzte den Monat an.
Nackte Panik überfiel mich erst, als ich eines Tages beobachtete, wie er eine Vorwahlnummer wählte.
»Wen rufst du denn an?« fragte ich.
»Kennst du doch«, sagte er. »Die gleiche, mit der ich vorigen Monat gesprochen habe.«
»Aber das war doch immer Ortsgespräch, dachte ich?«
»Reg dich nicht auf«, sagte er. »Es kostet nur ungefähr sechs oder acht Cent pro Minute. Außerdem ist es nicht irgendeine dumme Kinderliebe. Es ist ein Mensch, an dem mir ehrlich liegt, und mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Sie ist mir wichtig. Sie ist etwas ganz Besonderes, und es gibt nichts, was ich für sie nicht tun würde.«
»Oh, das höre ich gern«, sagte ich. »Weil du uns nämlich laut Telefonrechnung 36,86 Dollar an Ferngesprächgebühren schuldest.«
An diesem Tage lernte ich etwas Neues. Etwas, was schon in alten Sprichwörtern vorkommt: Wenn die Gebühren zum Fenster hereinschauen, fliegt die Liebe zum Schornstein hinaus.
Falsch verbunden!
Neulich abends im Fernsehen sah ich eine Frau, die ans Telefon ging, den Hörer abhob und dem Anrufenden mitteilte, er habe sich verwählt. Sie unterhielten sich dann zwanzig Minuten lang, stellten Mutmaßungen darüber an, wie der jeweils andere aussähe, wieviel sie gemeinsam hätten und wann sie sich wohl kennenlernen würden.
Ich habe noch nie mit Mr. Falschverbunden gesprochen, ohne daß der sofort den Hörer so hingeknallt hätte, daß fast der Apparat entzweiging.
Üblicherweise spielte sich das folgendermaßen ab:
»Hallo, Janni?«
»Nein, hier ist nicht Janni.«
»Ja, wer ist denn da?«
»Welche Nummer haben Sie gewählt?«
»Ich möchte 55 54 44.«
»Tut mir leid, aber das ist nicht meine Nummer. Und hier gibt es keine Janni.«
»Warum haben Sie denn dann abgehoben, Sie – Tüte!«
Dreißig Sekunden später, wenn das Telefon erneut klingelt, weiß ich genau, daß da jemand auf hundertachtzig ist, und daß es ihn bestimmt nicht freut, wenn er wieder diese Janni nicht erreicht, darum sage ich: »Hallo, tut mir leid, Sie wählen immer noch die falsche Nummer.«
Und dann sagt meine Mutter: »Hör mal, ich erkenn' dich doch sofort an der Stimme. Wenn du keine Lust hast, mit mir zu reden, dann sag's doch wenigstens ehrlich.« Und hängt ein.
Viele meiner Bekannten haben prächtige Nummern zum Falschwählen. Ein Leser von mir hat die Umkehrung der Nummer eines Naturkundemuseums. Er bekommt herrliche Anrufe und amüsiert sich köstlich, wenn beispielsweise jemand fragt: »Was kosten bei Ihnen Kinder unter zwölf?«, und er antworten dann: »Im Moment habe ich keine auf Lager, erwarte aber Ende der Woche eine neue Lieferung.«
Eines Tages rief jemand an und fragte: »In meinem Hof ist eine Turteltaube mit gebrochenem Flügel. Was würden Sie mir raten?«
Er riet ihm, sie zu rupfen, zu füllen und zum Abendessen zu servieren.
Im Moment bin ich um Fingerbreite entfernt von einem Reisebüro. Reisende sind keine glücklichen Menschen. Sie wollen wissen, wo ihr Gepäck ist. Wo sie ihr Geld wiederkriegen. Wo
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