Ich träume deutsch
ein Edelstein.
„Schau Babaanne, ich bin reich, ich bin reich!“, rief ich dann, und wenn ich damit um meine Babaanne herumtanzte, sagte sie: „Kızım, gehen wieder mal deine Ziegen mit dir durch?“ Sie seufzte laut und versteckte ihr Gesicht, damit wir ihr Lachen nicht sehen konnten.
„Wir sind doch nicht zum Lachen auf die Welt gekommen, sondern zum Arbeiten. Wer zu viel lacht, muss auch sehr viel weinen!“, sagte Babaanne immer.
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Annem wird nie kommen
Samstags war immer Hamam-Tag, wie in Deutschland auch. Babaanne wickelte unsere Badetasche zusammen, und Mine versuchte sich jedes Mal zu drücken.
„Babaanne, ich will nicht ins Hamam, mir ist es zu warm dort. Ich hasse das Hamam. Babaanne, darf ich nicht zu Hause baden?“
„Eşoleşek, willst du stinken wie Yalcin? Los, beeilt euch, wir gehen. Hadi hadi, kisch kisch.“ Dann jagte sie uns wie die Hühner auf die Straße.
Mir gefiel es gut im Hamam, weil es ganz viel Wasser gab. Wir konnten uns mit der Kelle begießen, sooft wir wollten. So viel warmes Wasser hatten wir nicht mal in Deutschland.
Im Hamam hatten am Frauentag nur Frauen Zutritt, deshalb war es nicht Günah, nackt zu sein. Natürlich mussten wir unser Kuku mit der Hand zudecken.
Mine hatte sich zwischen die Beine von Babaanne zu setzen, und dann wurde sie eingeseift. Wenn Ablam zu schreien anfing, weil ihr die Augen brannten, schlug ihr Babaanne mit der Kelle auf den Kopf.
„Schscht, wenn Seife in den Augen brennt, bekommt man schöne Augen“, sagte sie.
„Ich will aber keine schönen Augen“, schrie Mine.
Babaanne schrubbte unsere Köpfe wie ihre Wäsche, nur war sie beim Wäsche waschen nicht nackt. Wenn Babaanne meinen Kopf fest an sich drückte, um meine Haare einzuseifen, bekam ich ständig ihre großen, hängenden Brüste auf die Ohren geklatscht. Mal rechts mal links. Ich versuchte immer, in ihren Busen reinzubeißen, während Mine probierte, sich |85| lozureißen, aber Babaanne klemmte uns so fest zwischen ihre dicken Schenkel, dass auch Ablam keine Chance hatte.
Dann nahm sie ein hartes Tuch in die Hand und rieb uns die schmutzige Haut ab. Lauter schwarze Dreckröllchen kullerten an unserem Körper herunter.
„Babaanne, du ziehst uns die Haut ab!“, schrie Mine. „Schscht! Das ist noch der Dreck von Alamanya“, sagte Babaanne und klopfte wieder mit der Kelle auf Ablas Kopf.
Wenn Babaanne zu müde war, um uns abzureiben, ließ sie die Hamamfrau kommen. Die Frau war zwar ganz dünn und klein, aber kräftig wie ein Löwe. Und wenn sie den Rücken von meiner Babaanne ganz fest abrieb, gab Babaanne ihr immer ein Bakschisch.
Eine ältere Frau beobachtete meine Abla und lächelte sie die ganze Zeit an.
„Maşallah, großartig!“, sagte sie und klopfte sich auf ihre nackten Schenkel.
Dann stand sie auf und setzte sich neben Babaanne.
„Oh, du hast eine sehr hübsche Enkeltochter, Allah schütze sie vor bösen Blicken. Wie alt ist sie denn?“
„Wenn Allah Finger hätte, würde er dir die Augen auskratzen. Sie ist noch ein Kind, du schamloses Weib!“, antwortete Babaanne und warf ihre Kelle auf den Boden. Wir mussten uns gleich anziehen und nach Hause gehen.
„Ich habe es schon immer gesagt, alles Aasgeier.“
„Babaanne, warum bist du im Hamam so böse geworden? Hat die Frau etwas Schlimmes gesagt?“, fragte Mine, als wir draußen waren.
„Ihr versteht das nicht. Im Hamam halten diese Frauen Ausschau nach einer Braut für ihre Enkel oder Söhne. Ihr seid natürlich eine gute Beute aus Alamanya.“
|86| „Aber ich bin doch erst elf Jahre alt und noch lange keine Braut.“
„Allah bringt eine Frau gleich als Braut auf die Welt, da spielt das Alter keine Rolle“, knurrte Babaanne.
Zu Hause zog sie wieder ihren weißen Kamm aus der Şalvartasche und machte mit ihrer Spucke meine Locken weg, zog einen Strich auf einer Seite und sagte: „Güzel Kızım“. Dann fing sie an, die Haare von Ablam zu kämmen.
„Mine, bring mir die Schere aus der Nähkiste“, befahl Babaanne. Sie flocht meiner Abla zwei Zöpfe, setzte die Schere an und schnitt einfach einen ab. Ich saß da und konnte meine Zunge nicht bewegen. Mein Herz klopfte ganz laut und meine Knie zitterten so stark wie der kranke Hund, den die Dorfkinder erschlagen hatten. Ablam sprang auf, bevor Babaanne ihr den zweiten Zopf abschneiden konnte.
„Was hast du getan, Babaanne?“, schrie Ablam weinend. „Ich habe Annem versprochen, meine Haare lang zu lassen.“ Mine rannte
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