Ich träume deutsch
und darauf war eine Krone befestigt, die mit Perlen bestickt war. Der Bräutigam hatte einen schwarzen Anzug an. Auch er war behängt mit ganz viel Gold und Geld.
Wir durften nicht wie andere Kinder rumtoben, weil das gut erzogene Mädchen nicht machten. Aber wir saßen im Saal mit Babaanne ganz vorne und konnten alles sehen.
Frauen und Männer waren wieder getrennt, aber sie durften im gleichen Raum feiern. Wenn die Männer tanzten, sahen die Frauen zu, und wenn die Frauen tanzten, durften die Männer zusehen. Nur das Brautpaar durfte zusammen tanzen. Diesmal war die Braut nicht so traurig, man sah, wie sie ab und zu unter ihrem feinen Schleier lächelte. Dann stand das Paar auf der Tanzfläche, und der Bräutigam holte aus seiner Hosentasche eine ganz lange Kette aus Gold, bestimmt drei Meter lang. Er hängte sie der Braut um den Hals und nun durfte er den Schleier heben. Das war der Preis für ihr Gesicht, erst jetzt durfte er ihren Schleier öffnen.
Die Braut sah aus wie eine Prinzessin.
„Babaanne, ich will auch mal heiraten!“
„Psst, sei ruhig, schämst du dich denn gar nicht, so was zu sagen?“
|93| „Nein!“, antwortete ich und kuschelte mich zu ihr. „Bekomme ich dann von meinem Bräutigam auch so eine Kette, damit er mein Gesicht sehen darf?“
Meine Babaanne hielt sich die Hand vor den Mund, damit niemand ihr Lachen sehen konnte. „Du bekommst sicher eine viel längere Goldkette, güzel Kızım.“
Der Vater vom Bräutigam lief ganz stolz über die Tanzfläche und warf viele Bonbons, Kichererbsen und sogar Geld in die Menschenmenge. Wir durften nichts aufsammeln. Babaanne hatte uns das verboten.
„Ihr seid Alamanci, das haben wir nicht nötig“, sagte Babaanne.
Ein paar Männer holten ihre Waffen raus und feuerten Schüsse ab, obwohl das gar nicht erlaubt war. Aber Mahmut Ağa durfte das, schließlich nannte man ihn nicht umsonst Ağa, Herr.
Dann kam ein Mann auf die Tanzfläche und bat das Brautpaar zu sich. Die Eltern, Geschwister und die Verwandten kamen alle mit ihren Geschenken zu der Braut und dem Bräutigam. Sie behängten die beiden mit Gold und Geld. Mahmut Ağa hielt einen Schlüssel in der Hand und zeigte ihn den Hochzeitsgästen. In der anderen Hand hielt er das Megaphon und verkündete, dass dies ein Hausschlüssel sei. Er wünschte sich viele Enkelsöhne und drückte seinem Sohn den Schlüssel in die Hand. Wir standen alle auf und klatschten in die Hände. Mahmut Ağa feuerte wieder Schüsse in die Luft. Das Brautpaar freute sich sehr und tanzte mit ihm.
Im Schulhof standen große Schüsseln und Töpfe, und ganz viele Lämmer wurden gegrillt. Mahmut Ağa hatte extra für die Hochzeit aus Ankara einen Koch mit seinen Gehilfen kommen lassen. Es gab jede Menge Fleisch, Reis, Bohnen, Gemüse und Salat.
|94| „So muss eine Hochzeit sein“, sagte Babaanne, „und mich hat man für zwei Kühe verkauft!“ Dabei wackelte sie mit dem Kopf.
Irgendwann war ich wieder so müde, dass wir nach Hause gehen mussten.
Auf dem Heimweg stellte ich mir vor, wie mein Bräutigam mich mit Gold behängte und alle Menschen mich bewunderten, weil ich eine so wunderschöne Braut war. Ich wollte unbedingt so bald wie möglich auch eine Braut sein und ein weißes Kleid mit Handschuhen tragen.
Mein Freund Yalcin
Ablam und ich durften manchmal ohne Babaanne bei Necmi Amca einkaufen gehen. Unterwegs trafen wir ganz viele Leute, die sich alle nach unserer Anne erkundigten. „Alamanci-Mädchen, ist eure Anne schon da?“
„Hayır, aber sie kommt bald“, antwortete Ablam.
„Inşallah, Yavrum, Inşallah“, sagten alle und streichelten uns über die Haare.
Necmi Amca hatte neue Ware bekommen. In seinem Schaufenster lag ein wunderschöner roter Ball mit weißen Punkten. Aber der war viel zu teuer, soviel Geld hatten wir nicht.
Mine ging in den Laden, um Petroleum und Kerzen zu kaufen, aber ich blieb vor dem Schaufenster stehen und sah mir die schönen Sachen von Necmi Amca an. Plötzlich stand ein großer Mann neben mir. Er war so nah, dass ich ihn sogar atmen hören konnte. Es war Yalcin, ich sah sein Spielgelbild |95| ganz deutlich im Fenster von Necmi Amca. Zuerst versuchte ich, ihn gar nicht anzusehen, aber meine Angst wurde immer größer. Eigentlich wollte ich gleich zu meiner Abla gehen, aber meine Beine gehorchten mir nicht. Ich starrte Yalcin im Fenster an, versuchte, mich gar nicht zu bewegen, da zeigte er plötzlich auf den Ball und lachte mich an. Er versuchte, mir etwas zu sagen,
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