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Ich träume deutsch

Ich träume deutsch

Titel: Ich träume deutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nilgün Tasman
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mitfahren. Herr Schäufele durfte es aber noch nicht wissen, sonst hätte er die beiden nicht gehen lassen. Helene und ihre Mama wollten heimlich ausziehen, wenn Herr Schäufele bei der Arbeit war. Und irgendwann, wenn ihr Papa lieb wäre, dürfte er sie besuchen.
    Mit wem würde ich denn nun mein Pausenbrot teilen, und wer würde mit mir morgens in die Schule laufen? Yalcin hatte ich nicht mitnehmen dürfen, und nun zog auch noch meine beste Freundin weg. Ich war sehr traurig.
    Am nächsten Tag verließ Herr Schäufele wie immer um die gleiche Uhrzeit das Haus, und schon kurze Zeit später stand ein großer Lastwagen vor der Tür. Ganz viele Männer trugen Möbel heraus und Helene stand bei ihren Großeltern. Frau Schäufele wischte sich immer wieder die Tränen aus den Augen. Sie war sehr unglücklich. Meine Anne fragte sie, ob wir ihr helfen könnten, aber Frau Schäufele umarmte meine Anne nur ganz fest und beide fingen an zu weinen. Ich stand neben meiner Helene und hielt ihre Hand.
    Helene war gar nicht traurig. Ich glaube, so lustig hatte |138| ich meine beste Freundin noch nie gesehen. Jetzt war es so weit, ihre Großeltern saßen bereits im Auto und ihre Mama verabschiedete sich von mir mit einem Kuss auf die Wange. Helene und ich umarmten uns ganz fest. Dann fuhr der Lastwagen weg. Ich stand da und mein Herz klopfte.
    Meine Helene war weg. Einfach weg. Jetzt hatte ich überhaupt keine beste Freundin mehr.
    „Irgendwann wird es Hasan genauso gehen, wenn er so weitermacht“, sagte Annem und zog ihre Augenbrauen zu einem dicken Strich zusammen.
    „Hadi Kızım, du musst dich beeilen, sonst kommst du zu spät in die Schule.“
    Aber ich konnte an diesem Tag nicht in die Schule gehen. Ich war so niedergeschlagen, dass ich sogar spucken musste. Ich durfte mit Tekir daheim bleiben. Mein Kater und ich saßen am Fenster und ich sah auf die Steintreppe, wo Helene und ich immer gesessen hatten. Eigentlich hätte es auf der ganzen Welt nur Mamas geben dürfen. Dann wäre das Leben viel schöner.
    Zum Glück würde ich mal eine Mama sein und kein Papa. Yalcin würde unser Kind nie schlagen und wir würden den ganzen Tag draußen spielen!

Ein Baum ohne Wurzeln
    Ali Amca hatte uns zum Ramadan einen Fernseher geschenkt, den er im Sperrmüll gefunden hatte. Mine und ich saßen am Anfang stundenlang davor und waren furchtbar stolz, auch endlich einen Fernseher zu besitzen. Aber die Begeisterung |139| ließ schnell nach. Wir konnten nur einen Sender empfangen, und meistens kamen Sendungen, in denen Erwachsene über Politik sprachen. Abends durften wir mit unseren Eltern „Aktenzeichen XY“ oder auch „Tatort“ anschauen. Das war viel aufregender!
    Ab und zu verschwand das Bild und es waren nur noch Ameisen zu sehen. Meistens passierte das, wenn es richtig spannend wurde. Ein Schlag mit der Faust auf das Gehäuse und das Bild war wieder da.
    „Dieser Fernseher ist wie eine Frau. Wenn er nicht funktioniert, muss man einfach einmal draufhauen“, sagte Baba.
    Anne fand das gar nicht lustig und schüttelte den Kopf.
     
    Alle zwei Wochen kam unsere Lieblingssendung „Türkiye mektubu“, ein Brief aus der Türkei.
    Dreißig Minuten lang Nachrichten, Bilder und Musik aus der Heimat. An diesen Tagen kam Baba pünktlich nach Hause, und wir saßen alle gespannt vor dem Fernseher. Wenn „Türkiye mektubu“ lief, durften wir nicht mal Sonnenblumenkerne knabbern.
    Ich fand die Nachrichten immer sehr langweilig, und trotzdem war es wie ein Liebesbeweis Anne und Baba gegenüber, ruhig und aufmerksam zuzuhören.
    „Sieh mal Hasan, wie aufmerksam die Kinder sind. Sie vermissen die Heimat auch. Allah möge dieser Sehnsucht ein Ende setzen“, sagte Annem und gab uns einen Kuss auf die Stirn.
    Sogar Tekir lag ganz still vor dem Fernseher.
    Als eine Sängerin zum Abschluss der Sendung ein trauriges Lied über Trennung und Sehnsucht sang, verschwand plötzlich wieder mal das Bild.
    „Allah kahr etsin, verflucht noch mal!“, brüllte Baba.
    |140| Anne wischte sich die Tränen aus den Augen, sprang von ihrem Platz hoch und schlug mit der Faust auf den Fernseher. Sie rüttelte und schlug immer fester. Anne schrie, fluchte und war ganz außer sich vor Wut. Baba, Mine und ich saßen völlig fassungslos da. Tekir verkroch sich unter das Sofa.
    „Verdammt noch mal!“, schrie Anne.
    Baba versuchte, sie festzuhalten, aber Anne ließ sich nicht beruhigen. Sie schimpfte und schlug sogar auf Baba ein. Annem hatte Baba noch nie geschlagen

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