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Ich träume deutsch

Ich träume deutsch

Titel: Ich träume deutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nilgün Tasman
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Stuhl von Frau Mayer sitzen.
    Die Lehrerin fragte mich gleich, ob ich Deutsch verstehen würde. Ich nickte eifrig, stand auf und stellte mich vor: „Ich heiße Nilgün, bin siebeneinhalb Jahre alt und komme aus der |132| Türkei.“ So wie es Ablam in Alaca gelernt hatte. Frau Mayer war sehr beeindruckt und fragte die anderen Kinder, ob sie sich auch vorstellen wollten. Aber keiner traute sich.
    Unsere Schulklasse war wie Alaca, kunterbunt. Es gab Kinder aus Italien, aus Spanien, aus Griechenland, und außer mir waren noch zwei türkische Mädchen und ein türkischer Junge in der Klasse. Ich saß ganz vorne zwischen Oliver und Claudia. Oliver hatte blaue Augen und war blond. Claudia hatte braune Haare und braune Augen.
    Dann kam ein Fotograf und machte von uns allen ein Foto. Wir mussten ein Schild halten, worauf „Mein erstes Schuljahr“ stand.
    Es war alles so aufregend!
    Nach der Schule holte Annem mich mit Ablam ab, und wir gingen ein Eis essen.
    Ich erzählte den beiden, wie ich mich als Einzige getraut hatte, meinen Namen laut vor der ganzen Klasse zu sagen. Anne war richtig stolz auf mich!
    Ich ging gerne in die Schule und Frau Mayer hatte ich auch sehr lieb. Manchmal liefen Helene und ich morgens gemeinsam in die Schule. Wir waren auch in den Pausen immer zusammen und tauschten manchmal unsere Pausenbrote aus. Aber nur, wenn Helene keine Schweinewurst auf ihrem Brot hatte.
    Nach ein paar Wochen durfte ich sogar morgens alleine in die Schule gehen, ohne meine Abla. Helene wurde von ihrer Mama gebracht und auch wieder abgeholt. Manchmal nahm Frau Schäufele uns beide an die Hand und wir liefen zu dritt. Abends richtete ich meine Kleider für den nächsten Tag her und ordnete meinen Schulranzen. Anne musste mir ganz viele Hefte kaufen, weil ich daheim so viele freiwillige Hausaufgaben machte. Und ich bekam so oft Sterne, dass |133| Frau Mayer mir immer öfter ihren Stuhl überlassen musste. Ich lernte auch ganz schnell lesen und schreiben. Meine Lehrerin klopfte mir immer auf die Schulter und lobte mich vor der ganzen Klasse. Sie nannte mich „mein fleißiges Lieschen“. Ich liebte meine Lehrerin!

Alle Väter sind gleich
    Meine Freundin Helene und ich saßen nach der Schule auf der Steintreppe vor ihrem Haus. Ich knabberte an meinen Kürbiskernen und Helene spielte mit ihrer Puppe. Ab und zu sah Frau Schäufele aus dem Fenster und vergewisserte sich, dass Helene noch da war. Helene war wieder sehr traurig und sprach fast gar nichts mit mir. Vielleicht kam sie auch nicht zu Wort, weil ich immer so viel redete.
    Ich erzählte Helene über meine Anne, über Alaca, Istanbul, über den Bazar und die vielen schönen Sachen, die uns meine Anne im Urlaub kaufen wollte. Während ich erzählte, bekam ich Hunger auf Döner, Simit und all die leckeren Sachen, die es nur in der Türkei gab.
    Frau Mayer hatte Helene in der Hausaufgabenhilfe schon mehrmals gefragt, was mit ihr los sei, und ob sie traurig wäre. Helene hatte nur mit den Schultern gezuckt und nicht geantwortet. Unsere Lehrerin hatte sogar Helenes Eltern in die Schule gebeten, um mit ihnen darüber zu sprechen.
    Plötzlich fing Helene an zu weinen. Ich legte meinen Arm um Helene und versuchte, sie zu trösten. Nach einer Weile wischte sie sich die Tränen vom Gesicht und fragte: „Hat dich dein Papa lieb?“
    |134| O je!, dachte ich. Woher sollte ich das denn wissen? Anne hatte uns sehr lieb und war nach der Arbeit immer für uns da. Sie erzählte uns Geschichten, streichelte uns in den Schlaf und sagte immer, dass sie ohne uns keinen Tag leben könnte. Aber Baba? Hatte uns unser Baba lieb?
    Je mehr ich darüber nachdachte, umso trauriger wurde ich. Ich wusste gar nicht, was ich antworten sollte. Baba sagte immer: „Mine ist mein rechtes Auge und Nilgün mein linkes“, aber er behandelte weder Ablam wie sein rechtes Auge, noch mich wie sein linkes. Babam hatte auch noch nie gesagt, dass er uns lieb hatte. Wir sahen unseren Baba nicht so oft, und wenn er zu Hause war, schlief er meistens auf dem Sofa. An den Wochenenden war er im Café oder wir waren zu Besuch bei Freunden. Aber eigentlich musste doch jeder Baba sein Kind lieb haben. Sonst wäre er doch nicht Vater geworden, dachte ich.
    Als ich mal wegen Ohrenschmerzen im Krankenhaus lag, hatte mein Baba nachts nicht schlafen können, weil er sich Sorgen um mich gemacht hatte. Das hatte meine Anne mir erzählt.
    „Ja, ich glaube mein Papa hat uns schon lieb. Jeder Papa hat sein Kind lieb, sonst wäre er

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