Ich uebe das Sterben
verbringe ich mit Freunden aus meiner Heimat und Harald in einer urigen Hütte im Schwarzwald. Es liegt richtig viel Schnee. Ich genieße die Gesellschaft meiner Freunde und die Stille der Natur. Um Mitternacht stecken wir Wunderkerzen in Form einer 2000 in den Schnee und zünden diese schweigend an. Am Himmel glänzen endlos viele Sterne, und das Mondlicht zaubert eine Million Glitzerkristalle auf den Schnee. Kitschig, aber so ist es. Wir machen eine Nachtwanderung und finden erst im Morgengrauen Schlaf auf dem Matratzenlager.
Das neue Millennium hat begonnen.
Es scheint ein guter Start für mich zu werden, denn es geht mir prima. An mein Herz und Ted denke ich selten.
Im Januar helfe ich Harald beim Auszug aus seiner Wohnung in Mainz. Er zieht zu uns in die Villa Kunterbunt. Wir beide teilen uns mein Zimmer – stolze zwölf Quadratmeter. Unter meinem Hochbett steht ein uraltes Schlafsofa, das schon meiner Schwester während ihrer Studienzeit gute Dienste geleistet hat. Darauf schläft nun Harald. Seine Kleider hat er in zwei Klappboxen gepackt, die er neben meine Schränke stellt. Es ist beengt, aber wir nehmen es mit Humor, lachen und feiern viel und trainieren ab und zu.
Auch im Büro läuft alles in gewohnten Bahnen. Die Arbeit ist nicht besonders abwechslungsreich, aber ich verstehe mich mit vielen meiner Kollegen richtig gut. Besonders mit Anja, die mir direkt gegenübersitzt, habe ich richtig viel Spaß.
Anfang Februar wird es Harald und mir dann doch zu eng in unserem Zwölf-Quadratmeter-Zimmer, und Harald möchte sich eine neue Bleibe suchen.
Wie der Zufall es will, werde ich gerade zu dieser Zeit zu einer Party bei einer jungen Ärztin eingeladen, die mich auf der Intensivstation im Klinikum Darmstadt betreut hat. Die Party ist toll, und ich bin begeistert von den Räumlichkeiten, in denen sie stattfindet. Es ist eine alte Villa mit großem Garten und zwei sehr gemütlichen Wohnungen. Als ich mit der Gastgeberin über das Haus spreche, erzählt sie mir, dass die Wohnung im Obergeschoss in den nächsten sechs Wochen frei wird. Wie ein Blitz zuckt ein Gedanke durch meinen Kopf: Hier möchte ich mit Harald wohnen.
Acht Wochen später setzen wir den Geistesblitz in die Tat um: Harald, Ted und ich ziehen in eine eigene gemeinsame Wohnung.
Trotz des Umzugs absolviere ich weiterhin mein Training und verliere zu keinem Zeitpunkt mein Ziel aus den Augen: den Ironman-Triathlon in Roth. Die Anmeldebestätigung habe ich schon erhalten, und für das erste Wochenende im Juli ist bereits ein Zimmer gebucht.
An den meisten Tagen verschwende ich nicht den kleinsten Gedanken an Ted, der sich glücklicherweise ruhig verhält. Ich fühle mich frei, unabhängig und stark.
Selbst ein auftretendes Kammerflimmern Anfang März wirft mich nicht aus der Bahn. Ich statte der Defibrillator-Ambulanz der Kerckhoff-Klinik am Tag darauf einen Besuch ab, um die Daten auslesen zu lassen. Es bestätigt sich aufs Neue: Ted funktioniert perfekt. Das gibt mir noch mehr Sicherheit, und das Unternehmen Roth wird weiter in Angriff genommen.
Anfang April überredet mich Harald, gemeinsam mit ihm an einem Sechs-Stunden-Lauf in Spich teilzunehmen. Die Sache reizt mich, denn ich finde es interessant, einmal in die Welt der Ultraläufer – zu denen auch Harald gehört – reinzuschnuppern.
Es ist mein erster Stundenlauf, und ich gehe ihn viel zu schnell an. Dennoch bleibe ich – genau wie Harald – sechs Stunden ohne Pause dabei und sehe es als eine gute Vorbereitung für meinen Triathlon im Juli an.
Teds schönste Reise – Wien
A ls meine Schwester und ich Kinder waren, waren unsere Geburtstage immer etwas ganz Besonderes. Wir durften viele Freunde zu einer Party einladen, und meine Mama hat für Spiel, Spaß und Spannung gesorgt. Nun sind wir jedoch erwachsen, und Geburtstage werden eigentlich nicht mehr groß gefeiert.
Ein wenig erstaunt bin ich daher schon, als uns meine Mama zu ihrem sechzigsten Geburtstag nach Wien einlädt. Meine Schwester lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in England und kann nicht dabei sein. Aber Harald und ich machen uns mit meinen Eltern auf ins schöne Österreich. Ted geht also erstmals auf Reisen.
Vorsorglich habe ich mich erkundigt, welche Kliniken in Wien Defibrillatoren implantieren und gegebenenfalls schnell Hilfe leisten können. Ein ganz klein wenig mulmig ist mir schon zumute, mich so weit von der bekannten Klinik und den vertrauten Ärzten zu entfernen. Aber die Freude auf Wien im Frühling
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