Ich uebe das Sterben
dabei. Ich freue mich über die tolle Überraschung. Es sind die kleinen Dinge, die mich im Krankenhaus aufrecht halten und verhindern, dass ich total abdrehe. Zu viel kostbare Zeit habe ich in Kliniken verbracht, und ich fühle mich wie im Gefängnis.
Auch Haralds Besuche sind immer ein Lichtblick. Am späten Nachmittag kommt er zu mir und bringt ein Plüschtier, Süßigkeiten und Cola mit. Wir reden über alles, nur nicht über die bevorstehende Operation. Glücklicherweise bleibt Harald sogar zum Abendessen. Danach spazieren wir noch gemeinsam den langen Stationsflur auf und ab und schauen in den Sonnenuntergang.
Ich muss an den Frankfurt Marathon im vergangenen Oktober denken und hoffe sehr, dass ich bald wieder dort laufen kann. Durch den Hochhausdschungel, der im Abendlicht aus dem zehnten Stockwerk total beeindruckend aussieht.
Am nächsten Morgen geht es früh für mich los. Ich bin etwas nervös. Zwar habe ich schon einige Operationen hinter mich gebracht, aber jede schreibt ihre eigene Geschichte.
Aufgrund der Blutgerinnungsstörung muss man mir vor dem Eingriff noch ein Präparat per Infusion zuführen, damit ich nicht zu viel Blut verliere.
Och wird während der Operation mithilfe eines Magneten aus der Kardiologie ausgeschaltet. Ich finde es sehr beeindruckend, dass das so einfach möglich ist. Sobald der Magnet vom Defi heruntergenommen wird, ist dieser sofort wieder einsatzbereit. Das Ausschalten während des Eingriffes dient meiner Sicherheit. Hört sich komisch an, ist aber so. Wenn Och während der Operation arbeiten müsste, würde ich zucken, und das wäre gar nicht gut, wenn der Chirurg gerade das Skalpell in meinem Hals oder an meinen Gefäßen hätte.
Kardiologisch gesehen bin ich während der Operation trotzdem auf der sicheren Seite, denn mein Herzschlag wird per Monitor überwacht. Sollte eine Unregelmäßigkeit auftauchen, kann man eingreifen, indem man entweder den Magneten vom Defi nimmt oder mit einem externen Defibrillator arbeitet.
Als ich in den Operationsbereich gebracht werde, bin ich mehr genervt als nervös. Ich habe schlicht und ergreifend keine Lust auf diesen Eingriff. Ich will keine Schmerzen haben, sondern nur wieder raus aus der Klinik. Aber es nützt ja nichts.
Das Team im Operationssaal ist spitze. Der Anästhesist plaudert fröhlich mit mir, und genau das brauche ich jetzt. Ich fühle mich sofort gut aufgehoben.
Die erste Betäubungsspritze, die zwischen meine Halswirbel gesetzt wird, ist ganz gruselig. Es knirscht, und es ist ein Gefühl zwischen Schmerz und Druck, einfach nur extrem unangenehm. Das ist ungewöhnlich, denn ich habe so viele Erfahrungen mit Untersuchungen, Operationen und den damit verbundenen Schmerzen gemacht, dass mir eigentlich wenige Dinge noch zusetzen können. Doch dieses absolut grauenhafte Gefühl brennt sich leider in mein Gehirn ein und sorgt bei jeder Erinnerung für einen eiskalten Schauder.
Glücklicherweise ist die zweite Spritze wesentlich angenehmer, da die Betäubung schon wirkt und der Anästhesist weiter nett mit mir plaudert. Er macht seine Arbeit gut, denn er hat sehr viel Feingefühl. Und er ist sicher nicht verantwortlich für mein Grusel-Gefühl, sondern das entsteht in meiner angeknacksten Psyche.
Die Operation an sich wird zur Zerreißprobe. Ich liege geschlagene vier Stunden unter dem Messer, den Kopf nach links gedreht, mit einem grünen Tuch darüber, und versuche, mein Kopfkino in Gang zu setzen. Das klappt jedoch ganz und gar nicht. Ich möchte schreien, aufspringen, weglaufen. Dabei gibt sich das Team alle Mühe, es mir bequem zu machen, meine Schmerzen so gering wie möglich zu halten und mich mit Musik und Gesprächen abzulenken. Aber meine Nerven liegen einfach blank.
Die Operation verläuft trotzdem gut. Der Professor ist sehr zufrieden, und auch ich atme auf. Jetzt kann ich nach vorne schauen, die Stunden bis zu meiner Entlassung aus der Klinik zählen.
Was ich nicht wusste, ist, dass ich danach auf eine Wachstation verlegt werde. Das ist grundsätzlich auch richtig und sinnvoll, da ich mit meinem Defi und dem Willebrand-Jürgens-Syndrom eine Risikopatientin bin.
Warum ich dort total zusammenbreche, weiß ich selbst nicht. Ich drehe völlig durch, heule wie ein Schlosshund und flehe die Schwester an, wenigstens aufstehen zu dürfen, um auf die Toilette zu gehen. Als ich auch das nicht darf, verliere ich vollkommen die Fassung. Der Tränenstrom ist nicht zu stoppen, und meine Nerven und mein Magen
Weitere Kostenlose Bücher