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Ich uebe das Sterben

Titel: Ich uebe das Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gritt Liebing
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ihr Irons.« Das gefällt uns sehr gut.
    Harald und ich sind die Irons: hart und kämpferisch und immer mit der Nase im Wind. Genau das verbindet uns. Nicht nur der Sport an sich ist unser Dreh- und Angelpunkt, sondern auch das, was hinter solchen Ausdauerstrapazen steht. Verzicht, Entbehrung, Schmerz. Aber auch schöne gemeinsame Erinnerungen, ein gutes Gefühl, Stolz.
    Das Wochenende in der Schweiz war ganz dem Ironman gewidmet, und ich habe nicht einmal an meine arteriovenöse Fistel oder Och gedacht. Entspannung von mir selbst, eingetaucht in Haralds Wettkampf.
    Zurück auf deutschem Boden erwachen die Lebensgeister in Och. Parallel dazu schwinden meine. Ich bin müde und habe einfach keine Lust auf Strom. Aber Och ist eben ein Dickschädel und voll Tatendrang. Rücksicht ist für ihn ein Fremdwort.
    Außerdem erhalte ich einen Anruf aus der Universitätsklinik Frankfurt und werde für Anfang August zu einem kurzen stationären Aufenthalt für eine erneute Angiographie einbestellt. Allein der Gedanke daran, ein Krankenhaus von innen zu sehen, verursacht bei mir zwischenzeitlich eine leichte Übelkeit. Ich bin gereizt und stehe unter Strom, ohne dass Och etwas damit zu tun hätte.
    Wie gerufen kommt in dieser Situation die Anfrage der Firma Boston Scientific, ob ich nicht Lust hätte, nach Irland zu reisen und mir die Produktionsstätte der Firma, in der unter anderem auch Och gefertigt wurde, anzusehen.
    In Rahmen eines sogenannten Quality Day werden jährlich sechs Patienten, die mit Aggregaten von Boston Scientific ausgestattet sind, eingeladen, um ihre Geschichte zu erzählen und den Firmenmitarbeitern so vor Augen zu führen, für wen sie ihre Arbeit tun und wie wichtig diese ist. Das halte ich für eine tolle Idee. Ich kann mir vorstellen, dass es für die Mitarbeiter der Firma sehr interessant und motivierend sein kann, die Menschen persönlich kennenzulernen, die wegen der von ihnen gebauten Defibrillatoren eine verbesserte Lebensqualität haben oder – wie in meinem Fall – überhaupt noch am Leben sind.
    Begleitet werde ich bei meiner Reise von Andreas, der für Boston Scientific in Brüssel arbeitet und dem ich schon seit Jahren immer wieder in der Kerckhoff-Klinik begegnet bin.
    Ich freue mich, dass gerade ich ausgewählt wurde, um auf die Grüne Insel zu kommen. Außer mir sind nur Patienten aus Irland und England eingeladen. Ich bin also die Einzige vom Festland. Eine Ehre für mich – und gleichzeitig die Chance, einmal nach Irland zu reisen. Irland steht schon lange auf meiner Liste der Orte der Welt, die ich noch gerne sehen möchte.
    Auch wenn ich auf dieser Reise Och nicht vergessen kann, weil ich ja letztlich genau wegen ihm hier bin, so sind es doch drei unvergessliche Tage.
    Ich bin beeindruckt vom wunderschönen Hotel, tollen Restaurants, unglaublich vielen netten Menschen und einem Land, in dem an jeder Ecke ein Schaf lauert. Ich trinke viel zu viele Guinness. Ich wandere auf grüne Hügel, um eine Aussicht auf noch mehr grüne Hügel und viele Schafe zu haben. Ich lerne die Menschen kennen, die Och zusammengebaut haben, und bestaune die Produktionsstätte.
    Wieder eine Reise, die einen Platz in meinem Buch der Erinnerungen erhält. Allmählich muss ich aufpassen, dass ich nicht zu viel dort reinpacke, denn ich weiß, was kommt, wenn es voll ist. Und darauf habe ich noch gar keine Lust. Ich habe noch so viel zu erleben auf der Welt.
    An einem wunderschönen Sommertag fahre ich zu meinem Termin zur Angiographie in die Universitätsklinik Frankfurt. Als ich dort eintreffe, ist meine Stimmung unter dem Nullpunkt. Zu viele Ärzte und Kliniken habe ich in den letzten Jahren gesehen. Mein Lächeln gebe ich inzwischen an der Pforte eines Krankenhauses ab. Nicht absichtlich, aber ich fühle mich beengt und leer, sobald ich eine Klinik betrete.
    Die neurologische Station, auf der ich untergebracht bin, ist hell und freundlich. Auch mein Zimmer ist sonnendurchflutet und modern und hat einen direkten Zugang zu einem Balkon, von dem aus ich auf einen kleinen Park blicke. Es ist fast schon idyllisch – wenn man vergisst, wo man hier ist.
    Ich setze mich in die Sonne – Musik in den Ohren und ein Laufmagazin in der Hand – und harre der Dinge, die da kommen. Geduld habe ich mit all meinen Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten gelernt.
    Das Prozedere am Tag vor so einem minimal-invasiven Eingriff kenne ich ja schon. Blutentnahme, Aufklärung über die Risiken der Untersuchung und eine allgemeine

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