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Ich übe für den Himmel

Ich übe für den Himmel

Titel: Ich übe für den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patmos
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verpassen.
    Unter den Zigarren liegt tatsächlich ein weißer Umschlag.
    »Für meine Freundin Isha« lesen wir alle drei gleichzeitig. Ich öffne aufgeregt den Umschlag und passe auf, ihn nicht zu beschädigen. Am liebsten hätte ich ihn aufgerissen. Aber ich bin so vorsichtig mit Frau Schröders Brief wie mit ihren kostbaren Porzellantassen.
    Liebe Isha, steht dort in ihrer wunderschönen, altmodischen Schrift, wenn Du diese Zeilen liest, ist irgendetwas mit mir passiert. Vielleicht konnte ich Dir vorher sagen, wo der Brief liegt. Das wäre mir am liebsten. Aber ich kann es mir nicht aussuchen, wie ich irgendwann mal diesen Planeten verlasse. Der Brief wird gefunden werden, da bin ich mir sicher.
    Du und Deine Familie sind für mich in den letzten Jahren meines Lebens ein großes Geschenk gewesen und ich möchte Euch und vor allem Dir, Isha, für die echte, aufrichtige Freundschaft danken. Die Stunden, die wir gemeinsam verbrachten, Isha, haben mir so unvorstellbar gut getan. Du hast mich wieder jung gemacht. Für Dich spielte mein hohes Alter keine Rolle. Du warst eine meiner besten Freundinnen.
    Ich habe diesen Brief geschrieben, nachdem Du mir vom krebskranken Tommy erzählt hast, und wie Du und Deine Eltern zusammen mit ihm für den Himmel geübt habt. Und er die letzte Strecke allein fliegen konnte, durch eure Hilfe.
    Das war für mich der Anlass endlich zuzugeben: Auch ich bin nicht unsterblich. Ich hatte das große Glück, sehr alt zu werden.
    Ich habe Dir etwas hinterlassen, Isha-Kind. Es wird Dir helfen, Deine Ausbildung zu machen. Vielleicht auf der Dimitri-Clown-Schule in der Schweiz? Wenn Du Dich dafür entscheidest, wirst Du ein großartiger Doktor-Clown, da bestehen für mich keine Zweifel mehr.
    Mein Notar weiß Bescheid.
    Seid alle innig umarmt von Deiner und Eurer alten Freundin
    Else Schröder
    PS: Vielleicht gibt es im Himmel auch meine Lieblingszigarren und einen guten Sherry, wer weiß!
    »Ich hab dir etwas hinterlassen«, langsam wiederhole ich die Worte. Sie lösen einen Erdrutsch in mir aus. Einen Vulkan, der ganz tief von unten nach oben brodelt und kurz vor dem Explodieren ist. An mich denkt sie und glaubt an meine Zukunft … Sie traut mir zu, dass ich ein guter Krankenhaus-Clown werde, und möchte, dass Mama und Papa sich keine Sorgen um meine Ausbildung machen müssen … Ich bekomme von ihr ein so megagroßes Geschenk, dass es mich erschlägt. Ein Kloß in meinem Hals und der Vulkan sind sich im Weg und kommen gleichzeitig aus mir heraus. Ich lache vor Freude und gleichzeitig weine ich, weil ich doch möchte, dass Elsebelse jetzt hier ist und ich sie in die Arme nehmen kann. Dann weine ich nur noch, und kann gar nicht mehr aufhören. Jonathan und Eddie stehen unbeholfen neben mir und möchten am liebsten auch mitheulen. Warum tun sie es nicht, die Stoffel?
    »Schnaps und Zigarren gibt’s nicht nur im Himmel, sondern auch auf der Erde«, schluchze ich. »Das wissen Sie doch, liebste Elsebelse. Und die sollen Sie kriegen, das verspricht Ihnen Isha-Clown.«

Fünfzehn
    Der Trick mit der Besuchergruppe klappte auch dieses Mal wieder. Ich bin einfach mit fünf Leuten in den Fahrstuhl gegangen und habe auf den Knopf mit der 7 gedrückt. Seit zwei Wochen wohnt Frau Schröder in einem vornehmen Seniorenheim an der Elbe. Sie hat den schönsten Blick von ganz Hamburg auf den Hafen. Das Elschen sitzt am Fenster.
    Sie sitzt in einem Rollstuhl und starrt auf das Wasser. Mit ihrem linken Auge. Das rechte ist halb geschlossen.
    Ein Containerschiff der Min-Yang-Linie, so groß wie vier Fußballplätze hintereinander, wird fast direkt vor ihrem Fenster am anderen Elbufer entladen und wieder vollgepackt.
    »Frau Else, ich bin es, Isha.«
    Warum antwortet sie nicht? Ich bin mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt bemerkt hat. Ihre rechte Hand liegt wie eine kleine geballte Faust auf ihrem Schoß.
    Vielleicht hat sie gar keine Lust mehr zu antworten?
    »Ich war nachts bei Ihnen, im Krankenhaus. Da habe ich Ihnen etwas versprochen.« Keine Reaktion.
    Es ist Abend. Die Sonne am Horizont sieht aus wie eine überreife Orange und wird bald verschwinden, um Platz für den Mond zu machen. Ich muss Geduld haben. Ich darf vor Verzweiflung nicht ausrasten oder die kleine, zarte Else sogar anschreien. Ein Zeichen wünsche ich mir, ein Zeichen wie auf der Intensivstation. Ich habe den Zauberkoffer mit Sonne, Mond und Sternen mitgebracht. Eine Überraschung für Frau Schröder steckt in meinem Rucksack. Ich sitze

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