Ich und andere uncoole Dinge in New York
verstanden. Vielleicht hat er recht.
„Was ist los?“, fragt Rachel, als sie am Montag bei Scirox über ihrer Cubicle-Wand hängt und ihren obligatorischen megawiderlichen Dr. Pepper trinkt und Erdnüsse mampft. „Irgendetwas ist doch los.“
Manchmal bin ich überrascht, was für einen guten Sensor Rachel hat. Andererseits sehe ich wahrscheinlich immer noch hochgradig jämmerlich aus.
„Hast du Angst vor dem großen Scirox-Bonding-Wochenende? Keine Angst, ich beschütze dich vor Louis“, grinst Rachel und nickt mit dem Kopf in die Richtung, in der Louis’ Cubicle, zum Glück außer Hörweite, liegt.
Das habe ich fast vergessen. Nächstes Wochenende fahren wir mit der ganzen Abteilung nach Woodstock in Upstate New York (ja genau, das Woodstock, wo vor ewigen Zeiten mal dieses Hippie-Festival war ), um dort ein Psycho-Wohlfühl-wir-sind-bei-Scirox-alle-eine-große-Familie-Wochenende zu verbringen.
„Oh Mann, das hat mir gerade noch gefehlt“, seufze ich. Rachel lässt ein paar Erdnüsse von weit oben in den Mund fallen und spült sie mit Dr. Pepper hinunter. Sie trinkt noch nicht mal Light-Getränke – es ist ein Wunder, dass sie nicht dicker wird. „Aber da ist doch noch was?“ Rachel inspiziert sorgfältig mein Gesicht.
„Peter“, bringe ich heraus und sofort bildet sich wieder ein Kloß in meinem Hals, so dass ich nicht weitersprechen kann. Ich schüttele hilflos den Kopf und zucke mit den Schultern. Wenn ich versuche, das zu erzählen, heule ich wieder los wie im Doma. Das muss im Büro wirklich nicht sein.
„Was ist denn passiert?“ fragt Rachel und sieht mich mit ihren runden, schwarzen Augen so voller Mitgefühl an, dass mir ganz warm ums Herz wird. Wer hätte gedacht, dass Rachel meine Freundin wird?
„Willst du’s wirklich wissen?“
„Natürlich will ich alles wissen. Ich liebe Drama!“, grinst sie. „Nein, ehrlich“, fügt sie ernst hinzu. „Manchmal geht’s einem danach besser.“
Sie hält mir ihre Dose mit den angefressenen Erdnüssen hin.
„Vielen Dank, so schlecht geht es mir dann doch nicht“, versuche ich zu grinsen.
„Komm, wir gehen in die Cafeteria und bestellen den größten Becher Ben & Jerry’s Cookie Dough, den sie haben.“
„Vielleicht hast du recht.“
Wir gehen also in die Cafeteria, bestellen Ben & Jerry’s und ich erzähle Rachel endlich alles, was ich ihr bisher noch nicht erzählt habe. Wie ich mit Peter geschlafen habe, obwohl ich das doch irgendwie so gar nicht wollte. Dass es ziemlich unromantisch war und eher weh getan hat – nicht so schlimm wie Bohren ohne Narkose beim Zahnarzt, aber eigentlich habe ich mich ähnlich schlecht dabei gefühlt. Ich erzähle wie wir immer nur von einem in den nächsten Club gezogen sind. Dass er ADS hat und ich davon nichts bemerkt habe – und von Florence, der alten und jetzt wiederbelebten Affäre, Freundin, Geliebten, Bettbeziehung oder was auch immer. Nur, dass Peter noch nicht einmal bemerkt hat, dass ich noch Jungfrau war – das erzähle ich nicht. Das ist mir einfach definitiv und auf ewig zu demütigend und peinlich und furchtbar. Und Rachel hat recht: auch wenn ich dabei heulen muss – danach fühle ich mich besser. Traurig, aber besser. Und Rachel umarmt mich, obwohl sie überhaupt nicht der Typ ist, der Frauen umarmt. Es tut gut, so eine tolle Freundin in New York zu haben.
Das Chopin-Konzert am nächsten Abend ist unglaublich. Ich habe schon ewig keine klassische Musik gehört, nur R’n’B, Minimal, J-Pop, Dancehall und diesen ganzen Kram, wo sowieso niemand mehr durchblickt, wie die Musikrichtungen alle heißen. Ivo Pogorelich spielt die berühmten Walzer und Impromptus und es ist wahnsinnig traurig schön. Adam sieht nach vorn und hört konzentriert zu. Unsere Arme berühren sich die ganze Zeit. Später legt er seine Hand auf meine, als sei das ganz normal. Ich kann nicht behaupten, dass mir das nicht gefällt. Meine Gedanken wandern bei der schönen Musik – leider zu Peter. Ich kann nicht glauben, dass das alles gewesen sein soll. Und es ärgert mich vielleicht noch mehr, weil es Florence gewesen ist. Das wirft zusätzlich ein schlechtes Licht auf mich, wenn jemand so Unscharfes, mir meinen Freund ausspannen kann. Ich drücke Adams Hand fester und er lächelt mich an. Wir sinken tiefer in unsere Sitze und lehnen uns aneinander, so dass ich seine Wärme spüre und mich gleich viel besser fühle.
„Du siehst besser aus als gestern“, sagt Adam, als wir langsam nach Hause
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