Ich und andere uncoole Dinge in New York
Er hat seine Stirn hochgezogen und erinnert mich ziemlich stark an Rachel, wenn sie die Stirn in Falten legt. Nach einem ewigen Moment richte ich mich auf und verdrücke mich auf die Toilette, um meine Triefnase ohne Zuschauer laut schnauben zu können. Im Spiegel schaut mich ein zerdrücktes Gesicht mit roten Flecken und verquollenen Augen an. Erstaunlich, dass Adam nicht die Beine in die Hand nimmt und wegrennt.
Als ich zurückkomme, ist er aber immer noch da und hat sogar eine Suppe bestellt. Die Suppe schmeckt köstlich. Adam lässt die meiste Zeit eine Hand auf meinem Arm liegen.
„Wo wir jetzt beide nicht mehr unter die Kategorie ‚Mehrfach-Dater‘ fallen, kannst du ja am Dienstag mit mir in das Chopin-Konzert gehen.“
Ich blicke zu ihm hoch. Das geht mir irgendwie alles zu schnell.
„Einfach so“, sagt Adam schnell. „Kein Date. Einfach ein Treffen ohne irgendein Label und Chopin hören.“
Ich nicke. „Okay. Ohne Label. Bis dahin sehe ich hoffentlich nicht mehr wie ein Zombie aus.“
„Ach, ich hab’ schon immer ein Faible für Monster gehabt“, lächelt Adam.
„Auch wenn die Leute im Doma mich jetzt für das größte Arschloch halten, dass seine Freundin derartig zum Heulen bringt – das war’s mir wert. Es war schön, dich zu treffen“, sagt Adam zum Abschied. Dann streicht er mit seinem Finger eine verklebte Haarsträhne aus meinem Gesicht und streift mit seinen Lippen ganz kurz meine Wange. Dann laufen wir in unterschiedliche Richtungen davon. Verrückt, dass Leute wie er existieren. Verrückt, dass er mich mag. Eigentlich weiß er ja gar nichts über mich und hält mich wahrscheinlich für viel ehrlicher, als ich bin, nur weil ich ihm gesagt habe, dass er schlecht Klavier spielt. Was wäre eigentlich, wenn ich ihn vor Peter getroffen hätte? Peter. Peter. Peter.
Als ich nach Hause komme, geht es mir trotzdem etwas besser. Meine Mutter ist verschwunden und nur ein Zettel verrät, dass sie je hier gewesen ist. Sie hat sogar ihr Bett abgezogen. „Bin bei Dave. Danke für alles.“ Ich setze mich auf s Sofa und starre im Halbdunkel vor mich hin. Ich sitze ziemlich lange da und irgendwann kommt Ben zur Tür herein.
„Frauen ... “, sagt er und lässt sich auf den Sessel neben mir fallen.
„Oh nein. Du hast Gretchen getroffen.“
„Mhhh. Sie ist toll.“ Er kratzt an einem eingetrockneten Fleck auf dem Tisch herum.
„Und warum bist du dann hier?“
„Sie wollte noch jemand anderen treffen.“
„Upps.“ Ich habe mein deutsches „Huch“ inzwischen komplett mit dem amerikanischen „Upps“ ersetzt.
„Eine Freundin“, fügt Benjamin hinzu, verschwindet für einen Moment in der Küche, kommt mit einer Cola zurück, setzt sich aufs Sofa und legt seine Füße auf den Tisch. Er riecht, als wäre er gerade aus der Dusche gestiegen. Er muss sich vor der Verabredung mit Gretchen noch flächendeckend eingedieselt haben.
„Ich will dich nicht verunsichern. Aber freitags, um Mitternacht, obwohl sie eine Verabredung mit dir hatte?“
„Sie ist wirklich toll und wir hatten ein super Abendessen. Sie ist Wahnsinn.“ Er nimmt einen Schluck aus der Dose und wischt sich danach mit dem Handrücken über den Mund.
„Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass sie nicht an dir interessiert sein könnte?“, frage ich ironisch.
„Ich weiß es doch auch nicht“, antwortet Ben, ohne die Ironie zu bemerken. „Sie ist komisch. Wenn ich nicht ein totaler Idiot bin, dann würde ich schon sagen, dass sie mit mir flirtet.“ Wenn ich daran denke, wie sie ihre Haare in den Nacken geworfen hat, als sie bei Scirox geredet haben, muss ich ihm sogar recht geben.
„Vielleicht geht sie mit jemand anderem aus.“ Bei den Amerikanern ist doch schließlich alles möglich mit diesem Dating-Getue.
„Nein, sie hat keinen Freund, das ist sicher.“ Er winkt ab. „Sie hat mich zum Abschied auf die Wange geküsst wie eine Schwester. Ich versteh’s einfach nicht.“
„Trefft ihr euch wieder?“
„Wahrscheinlich nächste Woche.“
„Ben, ich weiß, das ist unvorstellbar für dich: Aber vielleicht möchte sie dich erst mal besser kennenlernen? Du hast sie vielleicht nicht sofort total umgehauen, nachdem sie dich nur einmal getroffen hat.“
„Zweimal. Und Telefongespräche. Und E-Mails.“ Ben sieht mich an, als wäre bisher jede Frau nach so viel Kontakt unsterblich in ihn verliebt gewesen.
„Immerhin will sie dich wiedertreffen.“
Er sieht mich an, als hätte ich überhaupt nichts
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