Ich und andere uncoole Dinge in New York
schlendern.
„Das ist nicht sonderlich schwer“, murmele ich.
„Du kannst einfach ‚Danke‘ sagen, wenn jemand dir ein Kompliment macht“, lächelt Adam. Obwohl wir immer langsamer gehen, erreichen wir den Subway, an dem wir uns trennen müssen. Wir stehen also voreinander und müssen uns verabschieden, weil wir schließlich kein Date haben. Eigentlich will ich mich gar nicht verabschieden, aber ich muss Klarheit in meine Gedanken bringen, so kann das nicht weitergehen.
„Ich möchte einfach gern viel Zeit mit dir verbringen“, sagt Adam ziemlich nah an meinem Gesicht. Ich nicke und wende mein Gesicht nicht ab und hoffe, dass er versteht, dass ich auch will, aber durcheinander bin und das alles nicht erklären kann und zum Glück ist er nicht total bescheuert und küsst mich. Nur ganz leicht und unschuldig, aber auch nicht ganz so unschuldig. Dafür bleibt er zu nah bei mir stehen, nachdem er mich geküsst hat, und streicht über meine Wange, obwohl da diesmal keine verheulte Haarsträhne festklebt. Es ist nicht so ein Ich-will-mit-dir-ins-Bett-Kuss, sondern eher so wie ein Anfang von etwas, das unbedingt weitergeführt werden muss.
Als ich nach Hause komme, ist Rachel auch da. Sie sieht mich feindselig an.
„Du erinnerst dich an dein Versprechen, nicht wahr?“, fragt sie mit scharfer Stimme.
Ich habe keine Ahnung, was sie meint. Gestern waren wir doch Freundinnen, die sich alles erzählen.
„Ich will dir nicht unterstellen, dass du ein Flittchen bist. Ich habe außerdem nichts gegen Flittchen. Aber mein Bruder versteht das falsch. Und weil er eigentlich nicht total bescheuert ist, glaube ich, dass du vielleicht nicht ganz unschuldig bist, dass er das falsch versteht.
„Ich habe keine Ahnung, was du meinst. Was versteht er falsch?“
„Ich glaube, du weißt sehr genau, was ich meine.“ Rachel steht vor mir und hat die Hände in ihre Taille gestützt. Manchmal macht Rachels Art mich wirklich verrückt.
„Rachel. Es tut mir leid. Aber ich bin kein Hellseher.“
„Benutz’ ihn nicht, um über Peter wegzukommen. Adam ist kein billiges Trostpflaster.“
Woher weiß sie eigentlich, dass ich ihn getroffen habe?
„Ich wusste nicht, dass Adam einen Wachhund braucht.“
„Braucht er nicht, aber ich bin doch nicht beschränkt. Du sonnst dich darin, dass er dich mag.“
„Das kann dir doch egal sein. Ich mag ihn auch.“
„Wir haben heute Mittag telefoniert und er hat erzählt, dass ihr in ein Chopin-Klavierkonzert geht.“ Rachel spricht Chopin betont amerikanisch aus, um mich zu ärgern. „Habt ihr geknutscht?“
Ich verdrehe die Augen, was alles bedeuten kann. „Mensch, Rachel, entspann’ dich mal. Bist du meine Freundin oder Adams Bodyguard?“
„Beides. Ich mag meinen Bruder. Echt. Tu ihm nicht weh.“ Sie atmet einmal tief durch. „Tschuldigung, ich wollte dich jetzt nicht so anmotzen.“
„Wie bitte?“
„Hörst du schlecht?“
„Du hast dich gerade entschuldigt. Ich glaube, du hast dich noch nie bei mir entschuldigt.“ Ich schenke ihr ein gönnerhaftes Lächeln.
„Es ist alles nur Amals Schuld“, seufzt Rachel. „Er macht ein sentimentales Weichei aus mir. Keine Bange, kommt nicht wieder vor.“
Entscheidungen
Am Wochenende sitzen wir also im Bus nach Woodstock. Eigentlich eine gute Ablenkung für mich, denn sobald ich nicht abgelenkt bin, muss ich an Peter denken, egal wie sehr ich mich anstrenge. Er hat nicht mehr angerufen. Vielleicht ist das das Schlimmste. Woodstock. Solange wir nicht oben ohne rumlaufen und mit einem Haufen Programmierern einen auf freie Liebe machen müssen, ist das ganz in Ordnung. Aber Rachel meint, von dem Hippie-Spirit von damals sei nichts übriggeblieben, außer ein paar Läden, wo man selbstgetöpferte Aschenbecher kaufen kann. Und dass bei Scirox irgendeine Gefahr besteht von wegen freier Liebe, ist ausgeschlossen. In jeder amerikanischen Firma sind Beziehungen unter Mitarbeitern strafbar. Die Amis mal wieder. Wahnsinn, auf was für Ideen die kommen. Später sitzen wir mit der ganzen Scirox-Programmierer-Abteilung in einer Holzhütte und gleich gibt’s Abendessen. Fisch, dem Geruch nach zu urteilen, der durch die Hütte zieht. Bis dahin haben wir ein wenig freie Zeit, hat Gretchen verkündet, was bedeutet, dass alle hektisch auf ihre Computer, iPhones oder Macs eintippen. Geschlafen wird je zu zweit in kleinen Holzhütten, die auf einem Waldgelände verteilt sind. Morgen geht das große Abenteuerprogramm los, das alle
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