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Ich und andere uncoole Dinge in New York

Ich und andere uncoole Dinge in New York

Titel: Ich und andere uncoole Dinge in New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia K. Stein
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Original“, sagt sie und es ist nicht auszumachen, ob das eine neutrale Feststellung oder eine Beleidigung ist. „In netter Begleitung, wie ich sehe. Willkommen.“ Sie zwinkert Benjamin in einer Art zu, die eindeutig Flirttendenz hat. Aber Ben sieht nicht angeekelt, sondern geradezu erfreut darüber aus. Die gelbe Farbe ihres engen Kleides ist identisch mit der Farbe ihrer hohen Schuhe. Sie wirkt erstaunlich frisch. Ihr durchgedrückter Rücken verleiht ihr eine übernatürlich gerade Haltung.
    „Na na na, die Deutschen waren ja schon immer ein wenig freizügiger“, lächelt sie und lässt ihren gestreckten Zeigefinger hin- und herwackeln, als würde sie ein ungezogenes Kind verwarnen.
    Ben und ich sehen uns an. Seinem Gesichtsausdruck nach versteht er genauso wenig wie ich.
    „Ach, es ist so ein herrlicher Tag, nicht wahr?“
    Wir nicken gleichzeitig. Sie zwinkert uns mit einem ihrer großen braunen Augen in einer übertriebenen Geste von Verschworenheit zu. „Ich muss mich jetzt ein wenig um ihn kümmern. Er kennt hier niemanden.“ Dabei macht sie eine kurze Kopfbewegung, um unsere Aufmerksamkeit in die richtige Richtung zu lenken. Einige Meter entfernt steht ein Mann, der etwas verlegen vor einem Bild steht und treu wie ein Hündchen zu Deborah aufblickt, als er sieht, dass sie zu ihm zurückkommt.
    „Sie hat einen Treffer gelandet“, sagt Ben leise zu mir. „Ich bin beeindruckt. Der Typ ist eher in meinem Alter.“
    Da kann Ben sogar recht haben. Unfassbar.
    „Ich frag mich, wie Deborah das macht“, quasselt Benjamin weiter, „da muss es doch ein Geheimnis geben. Aber es gibt wohl keine koschere Art, das herauszufinden. Vielleicht sollte ich Deborah mal anrufen….“
    „Ben!“, kreische ich, doch dann erstirbt mein Kreischen. Ein älterer Mann, einer von der eitlen Sorte mit gegelten, grauen Haaren und maßgeschneidertem Anzug, geht an uns vorbei. Sein Blick bleibt an mir hängen. Er grient mich mit unverhohlener Lüsternheit an und lässt dann seinen Blick von meinem Gesicht über meinen ganzen Körper gleiten. Ekelhaft. Während wir geredet haben, sind wir weitergeschlendert, an den Blumen vorbei zu den Ganzkörperportraits, und langsam erkenne ich das größte Bild, das im Zentrum der Ausstellung zu stehen scheint, und in mir steigt eine böse Vorahnung auf. Wir kommen näher und die Ahnung wird zur fürchterlichen Gewissheit. Sogar Ben merkt die Veränderung in meiner Körperspannung, hört auf zu reden und folgt meinem Blick.
    „Oh“, murmelt er. „Damit hätte ich jetzt echt nicht gerechnet.“
    Vor uns hängt ein Bild, das fast eine ganze Wand ausfüllt. Und auf dem Bild bin ich. Nackt. Ich stehe mit gespreizten Beinen und gespreizten Armen ein wenig wie ein Hampelmann, den man halb aufgezogen hat. Die Abbildung ist sehr genau. Schamhaargenau, möchte man sagen, und mein Busen ist, sagen wir mal, sehr realistisch gemalt, auch wenn er in Wirklichkeit etwas anders aussieht, nicht so spitz irgendwie. Der ganze Körper sieht etwas verhärmt aus, um dem Ganzen wieder die morbide Note zu geben, die meine Mutter so liebt.
    „Dein Gesicht hat sie gut getroffen“, bemerkt Benjamin nüchtern. „Auch wenn du in Wirklichkeit nicht so kränklich und verhärmt aussiehst. Den Rest kann ich nicht beurteilen.“
    „Ben“, jaule ich. „Das kann ja wohl überhaupt nicht wahr sein.“
    „Gefällt es dir“, raunt es in diesem Moment von hinten. „Es ist meine Hommage an dich, meine Tochter“, sagt eine pathetische, leider viel zu vertraute Stimme.
    Ich drehe mich um. Hinter mir steht meine Mutter in einem ihrer schwarzen, tiefausgeschnittenen Kleider mit Römersandalen, die ihre Beine kürzer machen. Aber die Fashionista, die sie jetzt geworden ist, sieht über so was hinweg. Hauptsache trendy.
    „Deine Mutter ist so stolz. Ich finde auch, es ist das Beste“, sagt Dave, der neben ihr steht, verträumt und blickt, wenn ich das richtig sehe, auf meinen Busen im Bild, der ja auch unübersehbar genau auf Augenhöhe der Betrachter hängt. Er hat sich in Regines Arm eingehängt. Beide blicken mich erwartungsvoll an, als würden sie auf ein großes Lob warten.
    Ich könnte ausrasten. Das ist eine sagenhafte Unverschämtheit, mich nackt der ganzen Welt zu präsentieren. Und dann auch noch als verhärmte, fehlernährte, depressive Kreatur. Nicht unbedingt zu meinem Vorteil getroffen. Aber während ich noch Luft hole, um angemessen losschreien zu können, fällt mein Blick auf das nur geringfügig

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