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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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über Gänge und Treppen. Ich folgte mühsam. Meine 25 Laufschritte wollte ich mir für eine überstürzte Flucht nach der Sendung aufheben.
    Ein schwarzer Stoffvorhang wurde beiseite geschoben. Vor mir erhob sich das rohe Gerüst der Zuschauerbänke. Durch den Seiteneingang gingen wir nach vorne. Dort stand Erich Helmensdorfer und sprach mit Dr. von Westen. Armdicke Kabel lagen auf dem Boden. Kameraleute standen hemdsärmelig neben ihren Kameras. Scheinwerfer warfen gleißendes Licht auf den Kandidatenstuhl und das Mikrophon davor.
    Auch hier stellte der Eisenbahner die Weichen, setzte sich auf die erste Bank und signalisierte mir, es ihm gleichzutun.
    Der Kakteenexperte ging nach vorne, setzte sich auf den Kandidatenstuhl und kam wieder zu uns. Die Expertin für russische Musik wurde aufgerufen. Wie gewandt sie sich bewegte! Wie hübsch sie aussah im nilgrünen Kleid, im Schmuck der kupferroten Haare! Ich seufzte. Mein treuer Helfer, der Eisenbahnexperte, ging und kam. Dann hörte ich meinen Namen, erhob mich und setzte die Beine in Bewegung. Der Weg war weit, der Boden glatt, die Kabel gefährliche Stolperfallen.
    Dr. von Westen lächelte freundlich. Gott sei Dank, ein bekanntes Gesicht, ich klammerte mich daran, bis Erich Helmensdorfer mir die Hand entgegenstreckte.
    »Ich freue mich, bei Ihnen auftreten zu dürfen!«
    So sprach ich gespreizt und einfältig, und Helmensdorfers Antwort fiel auch dementsprechend aus.
    »Es wird sich erst zeigen, ob es eine Freude wird!«
    Ich klappte den Mund zu und beschloß, ihn nur noch im Notfall wieder aufzutun.
    »Nur auf die weißen Kreuzchen am Boden treten«, bedeutete mir Dr. von Westen, »nicht in die Kameras schauen! So und jetzt können Sie sich hinsetzen.«
    Dies tat ich gerne, wurde aber gleich wieder aufgescheucht, um den ganzen Weg noch einmal zu machen, die Kreuze zu bedenken, die Kabel, die Kameras.
    Wie glücklich hatte ich mich gefühlt, zu Hause am Schreibtisch, allein mit Wilhelm Busch! Wie unerfreulich und schwierig dagegen war dieser Hindernislauf! Schließlich aber erreichte ich den Kandidatenstuhl zum zweiten Mal, durfte mich niederlassen und erlernen, wie man Arme und Beine publikumswirksam unterbringt, wie man leere Blätter entgegennimmt, anschaut und zurückgibt, dann war ich entlassen.
    Eine Dame geleitete uns zur Kantine, dort gab es Aufschnitt und Brot. Die anderen Kandidaten mampften vergnügt und unterhielten sich. Mein Magen knurrte bedrohlich und warnte vor jeglicher Nahrungsaufnahme. »Dann nehmen Sie’s mit!« sagte ein sparsamer Hausvater, packte den Aufschnitt in eine Papierserviette und steckte mir die Bescherung in die Handtasche.
    Dort duftete sie still vor sich hin, bis am nächsten Morgen der Schaffner meine Fahrkarte verlangte. Ich öffnete die Tasche, eine Knoblauchwolke stieg daraus empor, segelte vorbei an meiner Nase und an der des Schaffners und blieb schließlich am Gepäcknetz hängen. Ich hatte inzwischen die Rückfahrkarte gefunden und reichte sie dem Schaffner. Der nahm sie entgegen mit spitzen Fingern und befremdetem Blick, war sie doch ein einziger Fettfleck, hatte sich vollgesogen mit Leberwurst- und Salamifett und duftete appetitlich.
    »Sie stimmt doch, und ich sitze im richtigen Zug?« fragte ich nach alter Gewohnheit und um ihn vom Wurstgeruch abzulenken.
    »Woher soll ich das wissen, meine Dame?« fragte der Schaffner indigniert, »auf dieser Fahrkarte ist auch nicht das geringste mehr zu erkennen. Man könnte sie als Brotbelag verwenden, keineswegs aber als Fahrausweis!«
    Mit Hilfe des Knipsers schnippte er sie zurück auf meinen Schoß.

    Nach dem Essen also, das ich nicht zu mir genommen hatte, obwohl es, wie sich später herausstellte, im Magen weit besser aufgehoben gewesen wäre als in der Handtasche, trottete ich hinter dem kupferroten Schopf der Musikexpertin dem nächsten Programmpunkt zu.
    »Maske Damen« stand an der Türe, durch die wir nun traten. Schminktische, Spiegel, Perücken, überquellende Aschenbecher und eine Dame im weißgemeinten Arbeitsschurz empfing uns. Diese Maskenbildnerin war eine Meisterin ihres Fachs und eine begeisterte Geschichtenerzählerin obendrein. Sie hieß mich niedersitzen, betrachtete mein Gesicht, seufzte, tunkte ihre Finger in Tiegel und Töpfchen und erzählte einen Schwank aus ihrem Leben. Sie habe, so berichtete sie, bei einem humorbegabten Meister gelernt, welcher immer das richtige Wort zur richtigen Stunde gefunden habe. So sei einmal eine etwas reifere Dame mit

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