Ich und du Muellers Kuh
Frage! Jedes Kind konnte sie beantworten. Mich aber ergriff Panik, denn ich hatte mir das noch nie überlegt. Von ganz allein kam die richtige Antwort über meine Lippen, brachte mir sparsamen Applaus ein und 25 Mark. Die weiteren Fragen machten keine Schwierigkeiten, ein Händedruck, schon saß ich wieder auf meinem Platz, schneller als gedacht. Hinterher standen wir Kandidaten noch ein wenig beisammen, tranken Sekt aus Pappbechern und suchten bei den anderen zu ergründen, ob wir gut gewesen waren. Ein Taxi brachte mich zurück ins Hotel.
Ich lag im Bett, traurig, unzufrieden, zornig auf mich selbst. Da klingelte das Telefon.
»Du warst großartig!« sagte Manfred, »was meinst du, wie stolz wir auf dich sind. Schlaf schön, Malchen, und morgen bist du wieder bei uns!«
Fröhliche Aussaat und traurige Ernte
Etwa zwei Wochen vor der nächsten Sendung begann ich, Samenkörner in Manfreds Seele zu streuen, hier mal eines und dort mal eines, wann halt der Boden bereit und die Zeit günstig erschien. So stieß ich beim Frühstück einen Seufzer aus und sprach:
»Ach ja, diese Bahnfahrt nach München ist doch recht anstrengend.«
Oder mittags beim Suppeausschöpfen: »Denk dir, Manfred, die russische Musik kommt mit dem Auto. Nein, sie braucht nicht selbst zu fahren! Ihr Verlobter bringt sie. Ein wirklich netter Mensch. Hinterher fahren sie wieder heim...« Oder beim Nachmittagskaffee. »Hast du gewußt, daß Wilhelm Busch nicht gerne auswärts übernachtete? Ich übrigens auch nicht. Zu dumm, daß nach der Sendung kein Zug mehr fährt und ich nicht nach Hause kann!«
Das genügte für den Anfang, sollte still in ihm Wurzeln schlagen, wachsen und gedeihen.
Nach ein paar Tagen riß ich mich früher als sonst vom Schreibtisch hoch, marschierte in die Küche und machte Maultaschen, ein zeitraubendes und arbeitsintensives Gericht, das Lieblingsessen meiner Lieben.
Sie waren denn auch voll Lob und Dank, sagten, dies sei eine unverhoffte Freude und seit Wilhelm Busch in unser Leben getreten, hätten sie nichts so Gutes mehr gegessen.
»Erzähl wieder mal, wie’s im Fernsehe isch«, Mathias lehnte sich satt und zufrieden in seinem Stuhl zurück, denn er hatte heute keinen Schafftag.
Braves Kind, er lieferte die Gelegenheit zu einer nächsten Aussaat!
»Das Publikum«, so begann ich, »läßt viel zu wünschen übrig. Die Leute hören gar nicht richtig zu, weil sie nämlich immer darauf lauern, ins Bild zu kommen und gut auszusehen oder wenigstens zu winken. Ich könnte die Gedichte tausendmal schöner aufsagen, wenn da ein interessiertes Publikum säße. Ach«, ich seufzte, »wenn es nur ein einziger Mensch wäre, was für eine große Hilfe würde das sein!«
»Nun, Herr Helmensdorfer hört ja zu«, meinte Manfred.
»Natürlich hört er zu, aber nicht wie ein normaler Mensch! Meinst du, er läßt sich rühren oder lacht? Er lauert doch nur auf Fehler! Das ist nicht anregend für mich, sondern aufregend!«
»Da magst du recht haben, wenn ich nur einen Menschen wüßte!«
Ich sprach kein Wort mehr und bedachte ihn nur mit einem finsteren Blick. Wenn er immer noch nicht wußte, welcher Mensch sich da anbot und wen allein ich im Auge hatte, dann verstockte er sein Herz.
»Ich glaube, du hast heute Schafftag«, knurrte ich schließlich. Andreas und Mathias nickten dankbar Bestätigung, er aber seufzte und begab sich in die Küche.
Erst viele Stunden später, abends nach der Sitzung, raffte ich alle Kräfte zusammen und unternahm einen letzten Versuch. Wir lagen im Bett, hörten die Autos unten vorbeisausen und waren schon recht schläfrig.
»Magst du vielleicht noch ein Gutenachtgedicht hören?«
»Mhmh!« Er gab einen Brummlaut von sich, der eher ablehnend wirkte, trotzdem trug ich ihm das Gedicht »Summa Summarum« vor, welches von der Liebe handelt und mit dem Vers endet:
»Demnach hast du dich vergebens
Meistenteils herumgetrieben,
Denn die Summe unsres Lebens,
Sind die Stunden, wo wir lieben.«
Ich legte meine ganze Seele besonders in diesen letzten Vers und tatsächlich, ich rührte sein Herz.
»Das hast du wirklich schön gesagt, Malchen!«
»Du regst mich eben unwahrscheinlich an, Manfred!« Und dann ganz leise, fast nur ein Hauch: »Ach, wärst du doch in München dabei!«
Pause.
Himmel, jetzt ist er eingeschlafen, dachte ich ärgerlich, immer schläft er ein, wenn etwas wichtig ist! Damit ihn dieses Gespräch aber wenigstens in den Traum hinein verfolge, sagte ich noch einmal laut und
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