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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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sie habe nicht gut geschlafen, sagte sie mit grämlichem Gesicht. Eine ausgewachsene Frau wie sie gehöre nicht ins Kinderzimmer und schon gar nicht in diese neumodischen Etagenbetten. Wie im Flüchtlingslager sei sie sich vorgekommen. Im unteren Bett habe sie keine Luft gekriegt und sich den Kopf angeschlagen, darum sei sie mitten in der Nacht trotz starker Beklemmungen die Leiter hinaufgestiegen in das obere Bett. Dort aber sei es ihr derart schwindlig geworden, daß sie sich an der Matratze habe festkrallen müssen. Es sei ein Wunder, daß sie noch lebend vor mir stünde und sich nicht das Genick gebrochen habe. Nein, in die Kirche könne sie nicht gehen nach diesen nächtlichen Schrecknissen. Sie sei ohnehin schon zerschlagen an Leib und Seele und sie hoffe, daß man es dem Braten nicht anmerken werde. »Ach Else, wenn wir dich nicht hätten!«
    »Red nicht, mach, daß du aus die Küche rauskommst!« Ich ging mit leichtem Herzen. Wenn Else schimpfte, ging’s ihr gut.
    Wir hatten einen weiten Fußmarsch zurückzulegen bis zur Kirche. Mindestens fünfzig Stufen mußten wir hinuntersteigen, einen Platz überqueren, eine Straße entlanglaufen, dann endlich stand die Nikodemuskirche vor uns.
    Das Auto hatten wir verkauft. Manfred hatte sich nur ungern von ihm getrennt. Er knurrte und murrte, obwohl ich ihm klarzumachen suchte, ein Pfarrer müsse einfach leben, dies sei ein gutes Beispiel für die Gemeinde, außerdem brauche man in der Stadt sowieso kein Auto, weil es nämlich Straßenbahnen gebe, und nicht zuletzt könnten wir uns für das Geld ungeheuer viel Schönes leisten.
    Als ich aber das erste Mal die Staffele mit gefüllten Einkaufskörben hochschlich, überkam mich das deutliche Gefühl, daß ein Auto etwas sehr Nützliches sei. Nicht, daß ich diese Meinung Manfred gegenüber hätte laut werden lassen, nein, ich schleppte knurrend weiter.
    Dann lagen eines Tages zwei Theaterkarten auf meinem Schreibtisch, ohne jeden Anlaß, einfach nur, um mir eine Freude zu machen, sagte Manfred, und ich hätte wissen müssen, daß er irgendein Ziel damit verfolgte.
    Der Hinweg mit der Straßenbahn verlief unerfreulich. Ein Mensch trat auf mein langes Kleid, ein anderer fixierte mich ungeniert und belustigt, als sei ich gradewegs dem Panoptikum entsprungen. Doch enthielt ich mich jeglicher Äußerungen, lächelte krampfhaft und tat, als fühle ich mich von Herzen wohl.
    Auf dem Rückweg fuhr uns die Straßenbahn vor der Nase davon. Es wehte ein kalter Wind. Ich fror in meinem dünnen Festkleid und sagte zu Manfred, daß mir alle erhabenen Gefühle, die ich im Theater gewonnen, abhanden kämen bei dieser Kälte und ob wir nicht vielleicht ein Taxi nehmen könnten.
    »Ich bin nicht dafür«, sprach er, »Taxifahrten sind teuer, das Geld können wir sparen. Wir laufen jetzt einfach bis zur nächsten Haltestelle, dabei wird’s dir sicher warm.«
    Wir liefen, aber es ging nur langsam voran mit meinen hochhackigen Pumps. Ein gutes Stück vor der Haltestelle fuhr die nächste Straßenbahn an uns vorbei.
    »Such is life!« sagte Manfred, »da fährt sie hin, und die nächste kommt erst in zehn Minuten.«
    »Sprich nicht Englisch, es wirkt angeberisch, und ich weiß ja, daß du’s kannst!« murrte ich, »du mit deinem warmen Anzug, du bist natürlich fein raus, aber ich! Ich werde mir den Tod holen bei dieser sibirischen Kälte.«
    »Es war deine Idee, das Auto zu verkaufen.«
    Dies war ein verdrießlicher Theaterabend, und er wurde zu Hause auch nicht schöner. Nachts fuhren unentwegt Autos durch meine Träume, so daß ich morgens mit Kopfschmerzen erwachte. Ich äußerte mich am Frühstückstisch vorsichtig in der Richtung, daß wir unsere Augen offen halten sollten, um möglicherweise ein billiges, gebrauchtes Auto...«
    »Ich habe schon mit dem Autohändler telefoniert«, sagte Manfred, und ich schwieg still dazu, obwohl ich vieles hätte sagen können von faulen Tricks und wie schlecht sie einem Pfarrer stünden, und ob er meine, daß seine Handlungsweise Gott wohlgefällig sei.
    »Schmeckt es dir?« fragte ich freundlich. Er hob erstaunt die Augenbrauen.
    »Ja, danke der Nachfrage, sehr gut.«
    »Man hört’s!« sagte ich.

    Die Nikodemuskirche war brechend voll. Ich mußte mir einen Platz in den hinteren Reihen suchen. Da saß ich einsam und verloren unter all dem fremden Volk, und kein Mensch ahnte, daß ich die Pfarrfrau war. Das Geläut verstummte. Noch ein paar einsame Glockenschläge, dann setzte die Orgel ein. Das

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