Ich und du Muellers Kuh
sie das nicht leiden kann. Wenn sie verärgert ist, habe ich es später auszubaden. Ich stelle dir eine gescheite Tischordnung auf, und Gitti wird Tischkarten malen. Und Kind, noch eines: Überlege dir deine Worte, bevor du sie aussprichst und sei nicht so schnippisch. Manche Menschen können das nur schwer ertragen.«
Am Samstagabend holten wir Else vom Bahnhof ab. Sie stieg aus dem Abteil, beladen wie ein Lastesel mit Töpfen, Pfannen, Körben.
»Hier bin ich! Mei bosche kochanje, wo habt ihr eure Aujen?« so schrie sie und wedelte mit einer Bratpfanne. Wir eilten herzu.
»Else, was für ein Segen, daß du da bist!«
Ich beugte mich herunter, um ihr einen Kuß zu geben, sie aber drehte blitzschnell den Kopf zur Seite, so daß mein Mund auf ihrem Ohr landete. So machte sie es immer, und jedesmal war es mir gräßlich peinlich, aber wehe, ich hätte sie ungeküßt begrüßt. Manfred durfte sich mit einem Händedruck begnügen, denn er war für sie kein vollwertiges Mitglied der Familie. Er sprach breites Schwäbisch, was sie zutiefst verabscheute, lachte viel, wie es »ihr Herr Pfarrer« niemals getan hatte, und kam er auf Besuch, so mußte sie Spätzle kochen, ein Gericht, das sie für albern und schädlich hielt und das ihr niemals gelang. Sie ertrug ihn in Geduld, aber das war auch das einzige, was sie ihm entgegenzubringen vermochte.
Da stand sie, das weiße Haar straff zurückgekämmt und am Hinterkopf zu einem kleinen Dutt gedreht, im grünschillernden schwarzen Mantel, darunter trug sie sicher nebst anderem eine weiße Schürze. Ich kannte sie nicht anders als mit Schürze, eine blaue in der Küche, sonst eine weiße. Else, der gute, aber polternde Geist aus meinem Elternhaus. Sie hatte schon in Polen für uns gekocht, war dann eine Zeitlang verheiratet gewesen und hatte einen eigenen Haushalt geführt. Doch, als ihr Hannes die »Aujen für immer schloß«, hatte sie »über die jrüne Jrenze jemacht« und war wieder zu uns gekommen. Wie glücklich war die Familie, als sie meiner Mutter den Kochlöffel aus der Hand wand und nicht nur eßbare, sondern sogar schmackhafte Gerichte herstellte. Nur an Süßspeisen traute sie sich nicht heran. So blieben uns die mit Liebe gekochten, manchmal zu flüssigen, manchmal zu festen, aber immer klumpigen Cremes meiner Mutter erhalten. Seit »Herrn Pfarrers« Tod war »Frau Pfarrer« zu ihrem einzigen Lebensinhalt geworden. Sie trachtete danach, Frau Pfarrer fröhlich zu stimmen, sei es durch deren Leibgerichte oder durch detaillierte Wiedergabe der Neuigkeiten aus aller Welt. Diese Neuigkeiten bezog sie aus der Bildzeitung, welche sie pflichtbewußt und am Küchentisch sitzend von vorne bis hinten durchbuchstabierte, die Brille auf der Nase und den Zeigefinger von Zeile zu Zeile wandernd.
»Weeßte, Amei-Kind, ich mach das nich aus Spaß. Mir fallen abends och die Aujen zu, aber ich muß mir bilden, und es tut Frau Pfarrer jut, wenn ich ihr ablenke.«
Sie beschimpfte uns Kinder auf polnisch und deutsch, wenn wir zu selten Briefe schrieben, zu wenig anriefen, nicht oft genug auf Besuch kamen oder Frau Pfarrer sonst betrübten. Dennoch war sie uns von Herzen zugetan und wir ihr auch.
Der Zugführer pfiff.
»Das Suppenjrün! Im Jepäcknetz, schnell, schnell!«
Im Abteil entstand fieberhafte Erregung, dann flatterten Schnittlauch, Petersilie und Sellerie auf uns nieder. »Jottseidank!« stöhnte Else und raffte zusammen, was da an Grünem auf dem Bahnsteig lag. »Ohne Suppenjrün kann ich keene Suppe nich kochen. Wie ich dir kenne, haste nuscht nich im Haus.«
»Du hast gesagt, Else, daß ich mich um nichts kümmern muß und daß du alles mitbringst.«
»Kommt endlich«, drängte Manfred, »die Leute drehen sich schon nach uns um!«
Er packte soviel er tragen konnte und ging eilends voran. Wir folgten mit den übrigen Pfannen und Kesseln. »Nimm ein Taxi!« flüsterte ich draußen in Manfreds Ohr, »mir ist’s fürchterlich peinlich mit all dem Zeugs!«
Aber Else hatte gute Ohren, jedenfalls war das Wort »Taxi« zu ihr gedrungen.
»Kommt nich in Fraje!« erklärte sie, »jibt’s keene Straßenbahnen bei euch?«
Doch, es gab. Während der Fahrt unterhielt sie uns und alle anderen Fahrgäste mit dem, was sie zu kochen gedachte, mit Frau Pfarrers Arthritis und der Suche nach verlorenen Gepäckstücken.
Investitur mit Trockentaufe
Der Investiturmorgen brach an. Else war schlechter Laune. Ich merkte es an der Art, wie sie die Töpfe auf den Ofen knallte. Nein,
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