Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
Vom Netzwerk:
Not!
    Pyramus tot!
    Dein Lilienmund,
    Dein Augen rund,
    Wie Schnittlauch frisch und grün.
    Dein Kirschennaß,
    Dein Wangen blaß,
    Die wie ein Goldlack blühn.
    Weiter kein Wort!
    Nun Dolch fahr fort!
    Zerreiß des Busens Schnee.
    Lebt wohl ihr Herrn!
    Ich scheide gern!
    Ade! Ade! Ade!«

    Er suchte nach dem Dolch und sprach mit natürlicher Stimme: »Wo ist denn das verflixte Käsemesser?« Ein anderer Spieler drückte ihm einen Kinderdolch in die Hand, mit dem durchstach er mehrfach die Luft und sank dann röchelnd über den anderen Burschen. Im Niedersinken wurde er meiner gewahr.
    »Wer ist denn das?« fragte er.
    Da nahm ich flugs die Brille ab und steckte sie in die Tasche, denn ohne Brille, das wußte ich wohl, wirkte ich anziehender auf die Männer.
    »Ich würde gern mitmachen, wenn Sie mich brauchen können.«
    Sie konnten mich brauchen, vorerst nur als Souffleuse, doch schon beim Sommerfest der Studentengemeinde erschien ich als »Fromme Helene«. Es fiel mir nicht sonderlich schwer, diese Rolle zu verkörpern, kannte ich den Text doch schon von Kindesbeinen an. Denn war ich krank, dann lag das Wilhelm-Busch-Album stets bei mir im Bett, und mit seiner Hilfe lernte ich lesen.
    »Lieber Bruder, können Sie es verantworten, dem Kind Wilhelm Busch ins Bett zu geben?« So fragte ein Missionar meinen Vater. Die beiden Herren standen am Fußende des Bettes, in dem ich mit pfeifendem Atem unter dem dicken Album lag.
    »Ja, das kann ich verantworten!«
    »Aber es gibt recht unschöne und unanständige Stellen darin!«
    »Tatsächlich? Die sind mir bis jetzt entgangen. Wenn es sie wirklich geben sollte, dann ist das auch kein Unglück, denn das Kind versteht sie nicht! Was liest du gerade, Amei?«
    »Von der frommen Helene, wie sie...«, ich gluckste vor Lachen.
    »Die fromme Helene ist außerordentlich lehrreich«, mein Vater faßte den Missionar fest ins Auge, »Sie sollten sich diese Geschichte wieder einmal zu Gemüte fuhren, lieber Bruder Putzer, denn die fromme Heuchelei treibt noch immer zahlreiche Blüten .«
    »Ja«, antwortete Bruder Putzer und wandte sich mit angewidertem Gesicht vom Bett des kichernden Kindes, »Frauen sind besonders anfällig dafür!«
    »Nicht nur Frauen, lieber Bruder, nicht nur Frauen!« sprach mein V ater, strich mir über den Kopf und geleitete den Bruder zur Tür hinaus.

    Das Theaterspiel in der Studentengemeinde bereitete mir weit mehr Freude als das Studium des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Universität. So spielte und tanzte ich mich durch die letzten Tage des Sommersemesters, beschloß dann, ein neuer Mensch zu werden, und für das nächste Semester nach Tübingen zu gehen in Manfreds sichere Nähe. Ich tat’s und hatte fortan Wichtigeres zu tun als Theater zu spielen.
    Nun aber saß ich jeden Abend mit meiner Truppe im Nikodemusgemeindehaus und übte, denn die Premiere nahte.
    Die Proben hätte ich ja verkraftet, aber wir mußten uns noch mit anderen Problemen herumschlagen.
    Da war zum Beispiel der Leuchter, ein überaus ernstes Problem, denn woher sollten wir ein solches »Kunstwerk« mit zwei weiblichen Nackedeis beschaffen? Geschmacklos sollte es sein und auch ein wenig frivol. »Seht doch mal daheim nach, vielleicht habt ihr etwas dergleichen«, sagte ich zu meinen Spielern, aber sie schüttelten ihre Köpfe.
    »Sowas gibt’s bei uns nicht«, erklärte Elfi, »da brauch ich gar nicht erst zu suchen!«
    »Meine Eltern haben einen erlesenen Geschmack«, Ferdinand erhob stolz den Kopf, »die würden sich niemals einen Kitsch aufstellen!«
    »Jetzt schaut halt nach, im Speicher oder Keller!«
    Gut, sie erklärten sich bereit, wenn auch jeder von der Sinnlosigkeit solcher Suche überzeugt war.
    Zur nächsten Probe schnauften sie heran, bepackt wie die Maulesel. Ja doch, sie hatten etwas gefunden!
    Der Tisch brach fast zusammen unter der Last der Scheußlichkeiten. Gußeiserne Nymphen, marmorne Göttinnen, gläserne Tänzerinnen, alle mit Kerzen versehen und höchst mangelhaft bekleidet.
    »Das ist nicht«, Ferdinand lächelte verlegen, »das ist alles nichts gegen meines!«
    Er packte einen Leuchter aus und stellte ihn auf den Tisch. Einen Leuchter aus rosa Porzellan mit rosa Kerzen. Zwei nackte, rosa Damen mit wehenden Haaren standen in rosa Muscheln und lächelten dümmlich vor sich hin.
    Wir standen schweigend, in Betrachtung versunken. Ferdinand räusperte sich.
    »Sie sind der Venus von Botticelli nachgebildet, ich hab das Ding hinten in einem Schrank gefunden.

Weitere Kostenlose Bücher