Ich und du Muellers Kuh
nach der Tür, fanden sie schließlich und stießen draußen im Foyer mit dem Aussprachekreis zusammen. Jede Gruppe glaubte, in der anderen eine Horde von Unruhestiftern und Einbrechern vor sich zu haben, so daß es zu herben Worten und viel Mißverständnissen kam, bis endlich Mesner Lasewatsch auftauchte, eine Kerze in der Hand und Groll im Herzen.
Er stürzte ins Mesnerzimmer, fiel dabei fast über die beiden kleinen Missetäter, die, ihrer Untat bewußt, ins Freie flüchten wollten, und drückte den Hauptschalter. Licht flammte auf. Laienspiel- und Aussprachekreis versicherten sich gegenseitig ihre Unschuld und schlichen beschämt auseinander.
Andreas und Mathias hatten sich derweil in der Garderobe verkrochen. Aber der ergrimmte Lasewatsch entdeckte ihre Haarschöpfe über dem Schirmständer, stürzte sich auf sie, packte zu und zerrte sie ans Licht. Er warf einen Blick auf Mathias, einen zweiten auf Andreas und einen dritten auf mich. Dann gab er den beiden einen Stoß in meine Richtung. »Pfarrerskinder!« sprach er im Ton tiefster Verachtung.
Schamrot fing ich meine Sprößlinge auf und zog mich zurück, gedeckt von den Laienspielern. Mesner Lasewatsch schloß die Gemeindehaustür hinter uns zu und murmelte dabei viele unfreundliche Worte.
Wir fanden uns draußen, schneller als wir gedacht, und so endete der erste Abend des Laienspielkreises dort, wo er begonnen, nämlich in der Eisdiele.
Venus und Witwe
»Bin ich denn blöd?« Katja kletterte mit zornrotem Gesicht aus dem Souffleurkasten. »Wozu soll ich soufflieren, wenn er sich überhaupt nicht nach mir richtet?« Sie pflanzte sich vor Ferdinand auf, der lässig am Klavier lehnte. »Wenn du schon nichts gelernt hast, dann sprich wenigstens nach, was ich dir vorsage!«
Ferdinand war ein begnadeter Schauspieler, aber er richtete sich nach rein gar nichts, nicht nach dem Text, nicht nach seinen Mitspielern und schon gar nicht nach mir.
Mit herablassendem Lächeln nahm er meine Regieanweisungen entgegen und machte dann doch, was er für richtig und bühnenwirksam hielt. Tat ich irgendeine Meinung kund, dann konnte ich sicher sein, daß im nächsten Augenblick Ferdinand die seine dagegensetzte.
»Ich fände es gut«, erklärte ich, »wenn der Leuchter in der Mitte des Tisches steht. Hinter dem Tisch sitzt der Doktor, neben ihm seine Frau und ringt die Hände. Macht ihr das mal Lore und Hansi?«
»Nein«, ließ sich Ferdinand vernehmen, »das ist nicht! Die Frau muß sitzen und der Mann stehen, so gehört es sich. Lore setz dich! Hansi, du mußt über ihre Schulter schauen. Das gibt ein gutes Bild.«
»Also, Lore und Hansi, dann sitzt keiner von euch, sondern ihr steht beide hinter dem Tisch und starrt ganz entsetzt auf den Leuchter...«
»Nein«, beharrte Ferdinand, »das ist nicht! Einer muß vor dem Tisch stehen, sonst wirkt es zu langweilig...«
So mußte ich bei den Proben um jede Kleinigkeit kämpfen und kehrte verunsichert und verärgert nach Hause zurück. Ferdinand und sein ewiges »Nein, das ist nicht!« verfolgte mich durch sämtliche Träume.
Auch die jungen Leute hatten Schwierigkeiten mit Ferdinand. Meine Regieanweisungen nahmen sie hin, hatte ich doch die Truppe zusammengetrommelt und war ihnen an Jahren weit voraus. Ferdinand aber gehörte zu ihresgleichen, und also ließen sie sich nur ungern von ihm herumkommandieren.
»Lern du lieber deinen Text, damit wir anständige Stichworte bekommen!« fauchte der dicke Hansi, nachdem Ferdinand ihm zu verstehen gegeben hatte, daß er vielleicht dieses und jenes, aber gewiß nicht schauspielern könne. Katja schlug sich zu Hansi und nannte Ferdinand einen Angeber. Lore und Magnus, die engumschlungen beieinander standen, fanden, daß Ferdinand ihnen allen nur die Schau stehlen wolle. Elfi, die mir zugetan war, denn ich hatte ihr die Rolle der Witwe gegeben, warf Ferdinand einen vorwurfsvollen Blick zu und sagte:
»Du frustrierst Frau Pfarrer! Schließlich hat sie hier das Sagen!«
»Genau!« bestätigte Alexander, »Elfi hat recht!«
Bei Alexander hatte Elfi immer recht.
So hatten sich denn bei den Probearbeiten drei liebende Paare ergeben. Nur Ferdinand und ich standen allein, was uns irgendwie verband.
»Wenn’s euch nicht paßt, dann kann ich ja gehen«, knurrte Ferdinand, »ich hab besseres zu tun als mich mit Kindereien abzugeben.« So sprach er und machte keinerlei Anstalten zu gehen, obwohl ihn niemand gehindert hätte.
»Schluß mit der Probe!« entschied ich.
»Gehen wir
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