Ich und du Muellers Kuh
bin ich geheilt!«
Am nächsten Tag zog ich die griechischen Heldensagen aus dem Bücherschrank, schlug das Inhaltsverzeichnis auf und gleich wieder zu, denn ein Sturzbach von Namen prasselte daraus auf mich hernieder, ernüchterte mich heilsam und riß alle kühnen Hoffnungen und anmutigen Träume mit sich.
An die Menschen konnte ich mich noch einigermaßen erinnern: Jason, Odysseus, Agamemnon... Aber diese Götter! Was für ein fürchterliches Durcheinander in ihren Liebesbeziehungen! Was für unentwirrbare Verwandtschaftsbande! Was für schwierige und delikate Verbindungen zu den Menschen!
War ich Ikarus? Leichtsinnig genug, der Sonne entgegenzustreben mit Flügeln, die schmelzen können? Sollte ich wie Prometheus die Götter verärgern, ihnen mein eigen Fleisch und Blut zum Fraß vorwerfen und zum Dank einen Leberschaden davontragen? Wollte ich etwa wie Sisyphus in aller Ewigkeit an meiner Dummheit schleppen?
O nein! Nicht doch! Ich stellte die Heldensagen zurück in den Bücherschrank!
»Wie wär’s denn mit Wilhelm Busch, Malchen?« Manfred stand hinter mir.
»Ach, laß mich in Ruhe! Die Sache ist gelaufen!«
Nachts schlief ich schlecht. Alpträume drückten mich darnieder. Die »Fromme Helene« schleifte ein riesiges Ei herbei und legte es auf meine Brust. Ich stöhnte unter der Last. Da zog sie ein Hämmerchen hervor, schwang es. Peng! »Hans Huckebein« steckte seinen Kopf aus der Schale.
»Es gehört einem Raben! Ein Raben-Ei!« rief ich beglückt.
»Was ist denn, Malchen, was schreist du?« Manfred schüttelte mich aus meinem Traum heraus. »Komm hab keine Angst! Ich bin ja da!« Er drehte sich um und schlief weiter.
Ich aber kämpfte die ganze Nacht hindurch mit Nestern voller Eier. Odysseus schlüpfte aus und Balduin Bählamm, die Witwe Bolte und Iphigenie... Sie machten es sich alle bei mir im Bett bequem, druckten und zwackten mich. Kein Wunder, daß ich morgens Kopfweh hatte. »Was isch denn, Mulchen?« fragte Mathias, »was machsch denn für a Gsicht?«
»Sie gluckt«, antwortete Manfred für mich, »siebrütet ein Ei aus, ihr Lieben.«
Beide Söhne schauten befremdet von ihren Tellern auf. »Mensche leget keine Eier!« sagte der Sexprofessor mit Nachdruck, »also kann se au net brüte. Vati, du hasch uns selber gsagt...«
»Ich rede in Bildern, mein Sohn!«
Als sie alle aus dem Haus waren, schrieb ich einen, wie mir schien, sehr humorvollen Brief an das Bayerische Fernsehen, Abteilung Unterhaltung, und bewarb mich als Kandidatin bei »Alles oder Nichts« mit Wilhelm Busch. Manfred kam herein, als ich gerade die Briefmarke ableckte.
»Ich bring ihn gleich zur Post«, er schaute gar nicht erst nach der Adresse.
»Daß du’s nur weißt, Manfred, ich hab bloß geschrieben, damit endlich Ruhe ist. Und wenn nichts daraus wird, womit ich rechne, dann ist es mir grad recht!«
»Es wird was draus, verlaß dich drauf!«
Wir warteten. Ich machte Großputz, riß die Gardinen von den Fenstern, räumte die Schränke aus und versetzte die Familie in Schreck und Verwirrung.
»Mei Garte«, jammerte Mathias, »du dappsch meine Radiesle zammme, wenn du dr Deppich klopfsch!«
Also ließ ich den Teppich von der Terrasse herunter, wo er mir fast die Arme aus den Gelenken riß, nach unten abrauschte und das Jasmingebüsch zu Boden drückte. Klara Tröster half mir, ihn dort wieder herunterzuzerren und aufzurollen.
»Se könnet doch net Ihre Deppich von do obe rausschüttle«, tadelte sie, »do krieget mrjo de ganze Dreck uff de Kopf. Wozu hent mir a Deppichschtang em Hof?«
»Da hat Mathias doch seinen Garten!«
Sie seufzte. »Ja so, deswege klopft ja scho koiner meh sein Deppich em Hof seit vier Woche. Mir werdet froh sei, wenn dem Bule seine Radiesle endlich hausse send, des könnet Se mr glaube!«
Ich räumte gerade den Küchenschrank aus, da holte mich Manfred ans Telefon.
»Das Bayerische Fernsehen will dich sprechen.«
»Aha! Eine Absage! Ich hab’s gewußt!«
Ein Dr. von Westen meldete sich, Regisseur von »Alles oder Nichts«.
»Sie haben sich doch als Kandidatin bei uns gemeldet?« Ich nickte ins Telefon. »Wir würden Sie gerne kennenlernen und hören, was Sie so alles von Wilhelm Busch wissen. Nehmen Sie am Montag ein schönes Erste-Klasse-Abteil und kommen Sie zu uns nach München ins Funkhaus, so um 15 Uhr herum. Wie heißt die Bildergeschichte: >Schnurrdiburr oder...?<«
»Die Bienen«, ergänzte ich und hätte gerne noch viel Geistreicheres gesagt, denn nun konnte ich wieder
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