Ich und du Muellers Kuh
Handschuhen, und äußerte, München sei eine schöne Stadt, ob ich sie kenne.
Ich antwortete: »Nein, ich kenne diese Stadt nicht und habe auch keine Zeit, sie zu besichtigen, denn ich bin sehr beschäftigt.«
Darauf überlegte er lange und fragte dann, in welcher Branche ich tätig sei.
»Beim Fernsehen! Ich muß heute eine paar Aufnahmen machen.«
Dies sagte ich ganz nebenbei, so als ob es gar nichts wäre. Er aber erhob seinen Blick zu mir und sagte: »Na, so was!«
Ich lächelte huldvoll.
Auf dem Bahnsteig rannten die Leute, als ob sie alle zu spät dran wären, und auch mein Zeitungsleser jagte davon, zuvor aber zog er höflich den Hut.
Diesen Menschen, so dachte ich, hast du eines Besseren belehrt, wie aber steht es mit deiner eigenen Wertschätzung und wie wird es dir im Funkhaus ergehen? Während ich dies bedachte, wurden mir Fuß und Herz immer schwerer. Ich schlich dem Bahnhofsausgang zu und stellte mir die brennende Frage, warum, um alles in der Welt, ich dieses »Krötle gefressen« hatte und nicht zu Hause geblieben war, um mich redlich zu nähren?
Draußen wehte ein scharfer Wind, riß meine schön frisierten Haare auseinander, färbte meine Nase rot, so daß mir aus einem Schaufenster eine arg zerzauste, verfrorene Amei entgegenstarrte. Der Weg kam mir weit vor, war er doch allenthalben mit Bauzäunen vernagelt! Doch endlich stand ich vor dem Funkhaus und meldete mich an der Pforte.
»Kommen Sie mit!«
Ein Herr eilte mir voran, spiegelglatte Gänge entlang. Ich folgte, immer an der Wand lang. Da stand eine Bank vor einem Zimmer. Auf dieser solle ich warten, sagte der Herr, es würde nicht lange dauern. Ich nahm gehorsam Platz, obwohl mein Sinnen und Trachten nach einem Waschraum mit Spiegel stand, wo ich mein Aussehen etwas zum Guten hätte wenden können. Doch ich traute mich nicht von der Bank weg, mußte ich doch jeden Augenblick damit rechnen, ins Zimmer gerufen zu werden. Als der Herr in den Tiefen des Ganges verschwunden war, öffnete ich meine Handtasche, um Kamm und Spiegel hervorzukramen. Zur gleichen Zeit öffnete sich auch die Tür. Ich sprang auf, die Tasche rutschte von meinem Schoß und ihr Inhalt rollte auf den Gang. Immer mußte mir so etwas passieren! Sicher stand Herr Helmensdorfer in der Tür und mokierte sich über die Möchtegern-Kandidatin, die auf dem Boden herumrutschte, um ihre Habseligkeiten zusammenzuraffen. Der Lippenstift war ein gutes Stück den Gang hinuntergerollt. Bevor ich hinter ihm her krabbelte, hob ich den Kopf. Die Tür war bereits wieder geschlossen, aber auf meinem Platz saß eine Dame. Sie sah keineswegs belustigt, eher niedergeschlagen aus, jetzt fiel ihr umflorter Blick auf mich.
»Was machen Sie da unten?«
»Entspannungsübungen!«
»Sind Sie auch zur Prüfung bestellt?«
»Hmm!«
»Dann lassen Sie alle Hoffnung fahren. Es ist entsetzlich! Was die alles wissen wollen.«
»Was haben Sie denn für ein Gebiet?«
»Die griechische Mythologie!«
»Die grie...« Es verschlug mir den Atem. Ich hockte auf den Fersen und starrte zu ihr hoch. »Nein, wie das Leben so spielt!«
Die Tür ging abermals auf. Ich erhob mich eilig. Ein Herr streckte mir freundlich die Hand entgegen. Ich legte meine eiskalte Hand in die seine, hörte, daß er der Regisseur von »Alles oder Nichts« und Dr. von Westen sei und stand im Zimmer.
»Na, denn wollen wir mal«, sagte Dr. von Westen, nahm mir den Mantel ab und schob mich einem älteren Herrn zu, der Bücher vor sich auf den Tisch stapelte. Dieser Herr war ein Professor, wohlbewandert in Sachen Wilhelm Busch, auch wenn er etwas grämlich blickte und gar nicht humorvoll wirkte.
Ich versuchte, so reizend wie möglich zu lächeln, aber er ließ sich nicht einmal zu einem leichten Zucken der Mundwinkel hinreißen, was auch nicht weiter verwundern konnte, denn er schaute mich nicht an, blickte mit dem einen Auge zum Fenster hinaus und mit dem anderen hinüber zur Tür, ein Umstand, der mich in Verwirrung versetzte. Erich Helmensdorfer war nicht zugegen, dabei hatte ich mir ein paar Komplimente für ihn ausgedacht, auf die jeder normale Mann positiv reagiert hätte. Andere Herren jedoch standen in Hülle und Fülle herum, drehten an Mikrophon und Tonbandgerät und schienen allesamt äußerst wichtig für den technischen Verlauf dieser Prüfung, an meiner Person waren sie wenig oder gar nicht interessiert.
Ich mußte neben dem Professor Platz nehmen. Sein eines Auge fiel auf meine zitternden Hände, so daß ich sie
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