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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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schnell in den Rockfalten zu verbergen suchte. Das Mikrophon wurde eingestellt, das Band lief, die Prüfung begann.
    »Wieviel kostet ein Wilhelm-Busch-Gemälde heute?«
    Ich hatte keine Ahnung, und ich sagte das auch und bot damit dem Professor die Möglichkeit, mich zu belehren, was er gerne und reichlich tat. Seine mir zugewandte Gesichtshälfte wurde weicher, seine Stimme milder.
    Er baute Zeichnungen, Gemälde, Bildergeschichten vor mir auf und fragte nach Namen und Daten.
    Ich antwortete nach bestem Vermögen. Wenn ich etwas nicht wußte, bat ich dringlich um Aufklärung, wendete mein Gesicht in die Richtung eines seiner Augen und hing verklärt an diesem, während er dozierte. Ich vergaß das laufende Band und die umsitzenden Herren, spielte mich ganz auf den Professor ein und bekam fast Spaß an dieser Prüfung.
    Der Professor blieb mir gewogen bis zu dem Augenblick, da ich zu rezitieren begann. Ich wählte den Bählamm-Prolog, den ich bei Festlichkeiten zu Flause vorzutragen pflegte, wobei ich jedesmal hohes Lob und dankbaren Beifall erntete, denn dieser Prolog geht über drei Seiten.

    »Wie wohl ist dem, der dann und wann
    Sich etwas schönes dichten kann!...«

    Ich zog alle Register, ich legte mich so richtig rein. Dr. von Westen lachte, auch die anderen Herren horchten auf, nur des Professors Gesicht wurde immer grämlicher, die verschieden gerichteten Augen schlossen sich gequält. Er hob die Hand, um meinen Redefluß zu dämmen. Wie ärgerlich, gerade an der schönsten Stelle:

    » ... Gleichwie die brave Bauernmutter
    Tagtäglich macht sie frische Butter...«

    Ich blickte in die andere Richtung, entschlossen, nichts zu sehen und zu hören und meinen Prolog zu Ende zu bringen.
    Da erlitt er einen Wutanfall, schlug mit der Faust auf den Tisch und donnerte »Schluß jetzt!«, so daß ich erschreckt verstummte.
    »Schön war’s«, sagte Dr. von Westen.
    »Falsch war’s!« der Professor. »Sogar Erich Ponto«, rief er, »hat niemals Wilhelm Busch auswendig gesprochen. Die Verse fließen leicht dahin, man setzt eigene Worte ein und bemerkt es nicht!«
    »Hab ich tatsächlich einen Fehler gemacht...«
    »Einen?« er schnaubte zornig durch die Nase, »wenn es nur einer gewesen wäre! Liebe Frau Maier...«
    »Müller!« Dr. von Westen und ich sprachen es gleichzeitig, aber der Professor ließ sich nicht beirren.
    »Wenn man schon rezitiert, dann muß man es auch richtig tun! Werkgetreu! Entweder man lernt es ordentlich, oder man läßt es bleiben!« An dieser Stelle ließ sich der Professor zu den Worten: »Verdammt nochmal!« hinreißen, worauf er erschrocken den Mund zuklappte.
    Ich aber öffnete den meinen, um lautstark zu versichern, ich würde — wenn nötig — jedes Wort richtig sagen und alles umlernen, denn ich hätte einen Mann, der es nicht ausstehen könne, wenn jemand falsch zitiere.
    »Das läßt mich hoffen!« murmelte der Professor und verzog den Mund zu einem säuerlichen Lächeln.
    Die Herren erhoben sich. Die Prüfung war überstanden. Dr. von Westen half mir in den Mantel.
    »Wir haben viele Busch-Experten, wie Sie sich denken können...« — nie hatte ich etwas dergleichen gedacht — , »die müssen wir alle erst prüfen, dann geben wir Ihnen Bescheid. Es wird ein Weilchen dauern. Hoffentlich haben Sie gute Nerven!«
    »Und wie!« rief ich und sank im selben Augenblick haltsuchend an die Wand, denn meine Knie begannen zu zittern.
    Die Tür hatte sich geöffnet, und ins Zimmer trat »der Mensch«, der Zeitgenosse aus dem Erste-Klasse-Abteil, der, den ich eines »Besseren« belehrt hatte! Wäre das nötig gewesen, lieber Gott, nur weil ich ein bißchen angegeben hab?
    Der Zeitgenosse kam also herein, begrüßte Dr. von Westen mit Herzlichkeit, duzte ihn und lachte lärmend, bis sein Blick auf mich fiel. Wir schauten uns an, und mir wurde ganz übel vor lauter Peinlichkeit. Wie ich ihn nach unserer kurzen, unerfreulichen Bekanntschaft einschätzte, so würde dieser Mensch jetzt seine ganze Arroganz über mich ausgießen, würde mich klein und häßlich machen vor all den Fernsehleuten und dem Professor, Material hatte ich ihm ja genug geliefert.
    »Kennen wir uns nicht?« rief er, »vorhin im Zug ...«
    »Ja, doch, freilich...«, fiel ich ihm ins Wort.
    »Eine Bewerberin für >Alles oder Nichts<«, erklärte Dr. von Westen unnötigerweise.
    »Na so was!« sagte der Zeitgenosse, »darf man fragen, was für ein Spezialgebiet Sie haben, gnädige Frau?«
    »Wilhelm Busch!« antwortete Dr.

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