Ich und er und null Verkehr
Nachrichten liest
er auch immer. Nein, Susi, machen wir uns nichts vor. Er hat die Nachricht gelesen, da bin ich mir ganz sicher, und er ist dennoch nicht
gekommen. Was nichts anderes bedeutet, als dass er nicht bereit war, um mich zu
kämpfen â¦Â« Meine Augen füllen sich
schon wieder mit Wasser, und ich greife schnell nach einem Taschentuch. »â¦Â und dass er mich aufgegeben hat.« Ich
schluchze laut auf und vergrabe mein Gesicht an Susis Schulter.
Susi schweigt und beginnt mich so heftig hin- und herzuwiegen, dass
mir fast schwindlig wird. Das macht mich gleich noch hoffnungsloser.
Dann sagt sie: »Das ist wie bei meinem UrgroÃvater.«
Ich blicke zu ihr hoch. »So? Was war denn mit dem?«
»Der sollte auch mal um meine Uromi kämpfen, hat sich aber davor
gedrückt â¦Â« Sie kräuselt verächtlich
die Lippen. »â¦Â bloà weil er Angst vor
einem Pistolenduell hatte.«
»Vor einem Pistolenduell?«, frage ich ungläubig nach, und Susi
nickt.
»Ja, er hat sich einfach gedrückt.«
»Und was war dann ⦠mit ihm und deiner Uromi?«
»Oh, er hatte Glück. Der andere fiel auf dem Weg zum Duell vom Pferd
und brach sich das Genick. Deswegen blieb dann nur noch mein Uropa für meine
Uromi übrig. Aber Tatsache ist, dass er sich dem Kampf nicht stellen wollte,
daher verstehe ich jetzt auch, was du meinst.«
Wir schweigen eine Weile und denken nach. Ich starre auf den
Taschentücherhaufen, der sich vor mir angesammelt hat, und Susi inspiziert
eingehend ihre Fingernägel.
Dann richte ich mich auf. »WeiÃt du, was ich machen werde?«
»Was denn?«
»Ich weià jetzt, dass ich Martin liebe, und ich weiÃ, dass ich mich
ziemlich dumm benommen habe. Ich habe ihn viel zu sehr unter Druck gesetzt, und
deswegen hat er so reagiert. Und das werde ich jetzt wiedergutmachen.«
»Ja? Wie denn?« Susi wird ganz neugierig. »Hast du einen Plan?«
»Ja. Ich werde ihn um Verzeihung bitten, das ist mein Plan«,
verkünde ich.
Susi fährt erschrocken zusammen. »Oh, mein Gott, Sandra, tu das bloÃ
nicht! Wenn du ihn um Verzeihung bittest, dann würdest du dich ja vor ihm
demütigen.«
»Das ist mir egal, Susi«, rufe ich verärgert aus. »Wenn es nötig
ist, um ihn zurückzugewinnen, dann werde ich mich eben vor ihm demütigen.«
»Hör mal, Sandra, du darfst dich nicht so erniedrigen vor ihm!
Sandra, versprich mir, dass du â¦Â«
Die Melodie meines Handys bringt sie zum Verstummen. Es liegt auf
dem Tisch, seit ich es vorhin wieder eingeschaltet habe in der Hoffnung, Martin
würde sich doch noch melden.
Wir reiÃen beide die Köpfe herum und starren es an.
»Ob er das ist?«, flüstert Susi, als
könnte der Anrufer unser Gespräch mithören.
Bei dem Gedanken macht mein Herz einen wilden Hüpfer.
Ja, das muss Martin sein. Wahrscheinlich sucht er mich schon
verzweifelt, vielleicht war ja wirklich sein Akku leer, oder er ist im Stau
stecken geblieben, oder er ist überfallen worden, von einer wilden Horde
betrunkener Skinheads, die sein Handy rauben wollten, und er hat stundenlang
mit ihnen gekämpft, immerhin hat er ja mal geboxt und â¦
Aber Moment mal. Diese kurze Melodie, das war ja gar nicht mein
Klingelton. Ich meine, nicht der Ton, wie wenn jemand anruft. Das war der
Signalton für eine Kurznachricht. Und das kann dann nur bedeuten, dass er gar
nicht mit mir reden will, sondern mir lieber kurz und bündig mitteilt, dass ⦠Ich kann den Gedanken gar nicht zu Ende
führen.
»Susi, das ist eine SMS«, sage ich kraftlos. »Kannst du für mich
nachsehen?«
»Okay.« Susi nimmt zögernd mein Handy vom Tisch und drückt auf den
Tasten herum. Ich kann gar nicht hinsehen.
»Und, was steht da?«, frage ich, und meine Stimme versagt beinahe
vor Angst.
Susi betrachtet konzentriert das Display. Dann murmelt sie:
»Seltsam.«
»Was heiÃt seltsam? Ist es nicht von Martin?«
»Doch«, sagt sie. »Aber was da steht, ist seltsam.«
»Was steht denn da?«
»Da steht: Auch wenn es vielleicht zu spät ist:
Siehe Clipfish unter Letzte Chance! «
»Wie bitte?« Ich reiÃe ihr das Handy aus der Hand und lese die
Nachricht selbst. Tatsächlich, das steht da. Aber was meint er damit?
»Hast du eine Ahnung, was Clipfish bedeutet?«,
frage ich Susi.
»Klar«,
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