Ich waer so gern ganz anders, aber ich komme einfach nicht dazu
Beziehungsstrukturen wandeln. Manche Änderungen hingegen kommen plötzlich und krempeln einiges um.
Dies ist ein ganz natürlicher Vorgang. Alle unsere Beziehungen unterliegen einem Wandel, denn wir alle verändern uns im Laufe unseres Lebens. Meist geschehen diese Veränderungen langsam und allmählich, sodass wir dies kaum registrieren. Nehmen wir unsere Entwicklung jedoch in die Hand und treiben sie aus eigenem Entschluss voran, fällt es unseren Freunden, den Kollegen und der Familie bewusst auf. Manche reagieren dann irritiert und verunsichert: »Was ist denn mit dir los? So kenn ich dich ja gar nicht.« Was bislang vorhersehbar und bequem war, wird nun unkomfortabel.
Lassen Sie sich von solchen Äußerungen nicht abschrecken – zum einen ist es doch ein schönes Kompliment, dass man sein Gegenüber auch nach Jahren noch überraschen kann. Und zum anderen hält Überraschung jung. Meine gute Freundin Helga bringt dies elegant auf den Punkt: »Es macht doch nichts, wenn andere sich an etwas Neues, Unbequemes gewöhnen müssen. Die spüren sich dann auch.«
Nur weil es für jemand anders gemütlich und vertraut ist, heißt das noch lange nicht, dass Sie immer die- oder derselbe bleiben müssen. Sie haben das Hoheitsrecht über Ihre Persönlichkeit, und wenn Sie sich verändern möchten, dann ist dies allein Ihre Entscheidung! Außerdem streben Sie ja eine Veränderung an, weil Sie glücklicher und zufriedener sein wollen und dieses Glück färbt auch auf andere ab.
Machen Sie sich für andere nicht kleiner, als Sie sind
Freundschaften können wir schließen und wieder lösen – bei Familienbanden verhält es sich etwas anders. Regina, Teilnehmerin eines meiner Seminare, schilderte ihren Zwiespalt folgendermaßen: »Ich habe studiert und arbeite in leitender Position in einem großen Chemieunternehmen. Meiner Familie ist das völlig fremd. Schon dass ich studiert habe, war irritierend, und dann noch Chemie, etwas so Abstraktes. Außerdem stört es meine Verwandten, dass ich nicht mehr wie sie auf dem Land wohne. Ich würde mich so ›städtisch‹ geben, sagen sie. Um solche Reibungspunkte zu vermeiden, passe ich mich lieber an, wenn ich zu Hause bin. Ich versuche so zu sein wie früher. Aber das fühlt sich falsch an – ich bin zwar noch ich, aber doch gleichzeitig eine andere. Manchmal weiß ich gar nicht mehr, wer ich bin.«
Während Regina von ihrer Familie erzählt, verändert sich ihre ganze Körperhaltung. War sie vorher eine ganz souveräne Managerin, verhält sie sich nun eher wie ein kleines Mädchen. Beide Füße hat sie hinter die Stuhlbeine verhakt, den Oberkörper seitlich nach vorn gebogen, den Kopf hat sie schief gelegt, ihre Lippen sind zu einem hilflosen Lächeln verzogen, und die Stimme ist leise und hoch geworden. Kein Wunder, dass sie sich in ihrem Heimatort zerrissen und unwohl fühlt: Sie versucht dort, ihre Veränderung, die Entwicklung, die sie im Laufe der Jahre durchlaufen hat, zu verbergen. Statt zu zeigen, wer sie ist, versucht sie, das Mädchen zu sein, das sie früher einmal war.
Regina steckt in einem Dilemma: Zeigt sie ihrer Familie ihren Wandel, ihr neues Selbst, dann würde sie für ihre Familie zunächst einmal fremd und unvertraut werden. Verschweigt sie den Wandel jedoch weiterhin, indem sie sich an ihre Familie und ihre alte Rolle anpasst, dann ist sie sich selbst fremd und unvertraut.
Als Regina dies bewusst wurde, entschied sie sich, von nun an zu zeigen, dass sie sich verändert hatte. Sie wollte zu Hause nicht mehr die Rolle des kleinen Mädchens annehmen, sondern zeigen, dass sie längst eine eigenständige Frau mit einem eigenen Werdegang war. Ganz bewusst nahm Regina in Kauf, dass dies zu Irritationen und vermutlich spitzen Bemerkungen führen würde. Doch sie kam zu dem Schluss, dass ihr dies lieber war, als die innere Zerrissenheit.
Wenn Sie sich für Wachstum und Erneuerung entscheiden, dann kann es sein, dass Teile Ihrer Familie davon irritiert sind. Manche verstehen diesen Schritt vielleicht nicht und sehen darin eine Zurückweisung von Werten, die ihnen viel bedeuten. Manche sind vielleicht enttäuscht, weil sie anderes erwartet haben. Aber egal, wie Sie sich wenden und drehen: Einer wird immer enttäuscht sein: Entweder derjenige, der von Ihnen anderes erwartet hat – oder Sie, weil Sie Ihren Traum den Erwartungen anderer opfern.
Auch Abschiede, Trennungen und kleine Distanzen können liebevoll gestaltet werden und überhaupt, man weiß doch nie,
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