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Ich war der Märchenprinz

Ich war der Märchenprinz

Titel: Ich war der Märchenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Piewitz
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frustrierte Zahnarztgattin von der Elbchaussee, 37, mit dem silbermetallic 450 SEL Cabrio — nein danke.
    Auch die Chefsekretärin im Cacharel-Kostümchen, die nichts dabei findet, ihrem Chef seinen Pfefferminztee zu kochen, weil der wirklich anderes im Kopf hat und eine Frau sich schließlich nichts dabei vergibt — nein danke.
    Überhaupt: alle angepaßten bürgerlichen Frauen — nein danke. Das ist aber ein beschissenes Pauschal-Urteil. Jaaa doch, ja. Na und?
    Als einigermaßen starker Typ kann man sich mit einer bestimmten Sorte Frauen eben nicht sehen lassen. Die hauen einem das ganze Image kaputt. Wenn du mit so einer hochgestylten bürgerlichen Frau, wo jeder sofort merkt: wenn die den Mund aufmacht, redet sie nur Scheiße, die hat nichts gelesen und nichts verstanden, wenn du mit der in die Kneipe gehst, eine von deinen Kneipen, kannst du doch nur hoffen, keine Bekannten zu treffen. Das geht schon los bei der Anrede — »Du« oder »Sie« — dann gibt’s so eine ganz merkwürdige Art von Konversation, weil mann/frau oder frau/frau in total unterschiedlichen Sprachen aneinander vorbeireden. Oder »sie« sitzt absolut stumm daneben, geht aufs Klo, sitzt wieder stumm daneben. Und irgendwann wirst du dann mit der Frage konfrontiert: Wer war denn das??? Man sieht da nicht gut aus.
    Also, diese Sorte von angepaßt-bürgerlichen Frauen hat bei mir überhaupt keinen Platz.

    Arne, du lügst.
    Stimmt. Die 3-Wetter-Taft-Ondulierten in den hochhackigen Schuhen nehmen sogar ziemlich viel Platz ein. Aber nur in meinen Vergewaltigungsphantasien. Als Beute — im dunklen Hausflur, gleich hinter den Mülleimern auf dem Gepäckträger eines alten Fahrrades. Das Coctailkleidchen zerfetzt und drüber. In solcher Szenerie kommen diese Frauen reichlich vor. Aber in der Realität finden sie eben überhaupt nicht statt. Wie Neumünster. Ja, genau, die sind wie Neumünster.
    Bei M. ist das eben anders.
    Die kann ich überall mit hinnehmen. Das ist mein individueller Geschmack, da wird nicht drüber diskutiert, die gilt vielleicht als »total daneben«, aber sie wird nicht weggebissen.

    Ich habe ein gewisses Sozialprestige, ich spiele in der autonomen Szene ja nicht gerade eine untergeordnete Rolle, und dazu gehört auch die angemessene »Beziehung«. Ich kann mir nur eine fortschrittliche Freundin leisten, mit ausgeprägtem politischem Bewußtsein, die auch einigermaßen auf dem Stand der Diskussion ist, und sie muß in jedem Fall in der Frauenfrage engagiert sein. Wenn sie das nicht ist, ist sie auch keine linke Frau, und eine andere kommt überhaupt nicht in Frage. Eine »Beziehung«, in der gemeinsam daran gearbeitet wird, daß mein Mackertum abgebaut wird, ist ein absolutes Muß. Jeder, der einigermaßen vorne mit dabei ist, hat sowas. Schwierigkeiten in der »Beziehung«, die aus der Mackerdiskussion resultieren, erhöhen das Sozialprestige, weil sie anzeigen, wie intensiv mann sich mit dem Problem auseinandersetzt. Also, in der Hinsicht ist M. für mich völlig ok, da genügt sie allen Ansprüchen. Auch sonst — zum Beispiel bewegt sie sich genau in den von der Szene vorgeschriebenen geschmacklichen Grenzen: originell-schlampig; wenn Dame, dann nur als Karikatur, selbstgestrickt (wenn auch von anderen), nichts Figurbetontes (außer ’n zu enges Unterhemd bei Hitze), und völlig bescheuerte Schuhe. Immer ’ne Nummer zu rustikal, echt zu nah an Luis Trenker dran, immer die Grazie in den Wanderstiefeln. Schrecklich. Aber für die Szene ok. Das Thema ist was für Warenästheten, die müßten sich mal um den alternativen Geschmack kümmern. Da finden sie das größte Uniformlager der Welt.
    M. »als Beziehung« ist also ok. Ich hab’ zwar keine Repräsentationspflichten wie der Bundeskanzler, aber wenn schon »Frau an seiner Seite«, dann so eine wie M. Da liegt eben auch der Unterschied zwischen mir und dem Bundeskanzler: Der hat eine »Beziehung« zu einer aus seiner Szene, und diese »Beziehung« läuft genauso ab wie seine politische Arbeit: verlogen, reaktionär, ausbeuterisch. Wenn der seine »Beziehung« bei Staatsempfängen oder so vorführt, und jede(r) weiß, diese »Beziehung« ist längst im Arsch, er hat ja eine intensive »Beziehung« zu seiner ehemaligen Sekretärin und engsten Mitarbeiterin, die er allerdings auch permanent bescheißt, dann läuft das im Prinzip genauso ab wie seine Politik: Laut predigt er Frieden und Menschenrechte, heimlich rüstet er auf und treibt die Einschränkung der Grundrechte

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