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Ich war der Märchenprinz

Ich war der Märchenprinz

Titel: Ich war der Märchenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Piewitz
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Beziehungs-Richtlinien und den auf der letzten MV abgesegneten »Anhaltspunkten für eine im basisdemokratischen Spektrum ausdiskutierte, personenbezogene Beziehungsebene« paßt M. sogar ausgezeichnet zu mir. Und ich zu ihr. Die Paßform wird dadurch bestärkt, daß unsere »Beziehung« eine Beziehung bleiben wird. Wir werden gescheitert worden sein (Futur II).
    Eine Rolle spielt dabei bestimmt auch ihre Nähe zum KB. Sie ist nicht da drin, sagt sie, aber Sympathisantin. Sympathisanten — das sind die, die eines Tages nicht sofort gehenkt werden, sondern lebenslänglich hinter Gitter gehen. Ich versteh das nicht — entweder ist frau in einer kommunistischen Organisation oder nicht, aber so halbe Sachen, ich weiß nicht. Nichts gegen den Kommunistischen Bund, ich schätze die, das sind die einzigen MLer, mit denen ich überhaupt noch Lust habe zu reden, die in vielen Sachen auch echt gut mitziehen, aber für mich wäre so eine Kaderorganisation nichts. Die ist mir zu zentralisiert, da passiert mir zuviel Geheimdiplomatie, da sehe ich zu deutlich die hierarchischen Strukturen. Ich komme auch ohne die und aus eigener Kraft in die Verfassungsschutz-Computer. Na ja, dazu gehört ja auch nicht viel.
    Jedenfalls, mit einer KB-Frau zusammen gesehen zu werden, oder zumindest mit einer KB-nahen Frau: das ist nicht schlecht. Das schmückt auch einen autonomen Häuptling, denn alle wissen: der Typ muß in der Frauenfrage echt weit vorne liegen, sonst wäre die Frau auf keinen Fall mit ihm zusammen. Doch, M. paßt zu mir. Sie paßt genausogut zu mir wie die Ehefrau des Bundeskanzlers zum Bandeskunzler.
    Nur: M. und ich gehen wesentlich humaner miteinander um.

    Ich gehe also zum U-Bahnhof, um sie abzuholen und ihr den Weg in meinen Hinterhof zu zeigen. Sie findet es »süß«, daß ich das tue. Ich finde es eher merkwürdig. Irgendwie scheine ich diese Frau zu mögen. Ich kann mir auch annähernd vorstellen, über einen längeren Zeitraum mit ihr zusammen zu sein. Wie sie so trippelnd neben mir her wandert, irgendwie habe ich ein Gefühl für sie entwickelt.
    Was für eins?
    Nicht verletzen wollen. Ja, ich glaube, ich möchte sie nicht verletzen. Ich möchte überhaupt nicht, daß sie verletzt wird. Ich möchte niemandem raten, sie zu verletzen. Offenbar meldet sich mein Beschützerinstinkt. Na, ist doch wenigstens was. Denn ich kenn’ mich: wer weiß, was ich morgen für Gefühle für sie entwickle? Vielleicht bin ich morgen nicht mal mehr scharf auf sie. Ich kenn’ das, das geht blitzschnell: keine Lust mehr. Null Libido. Aber das mach mal jemandem klar! Das geht gar nicht ohne Verletzung, ich kenn’ das wirklich. Und dann geht’s ans Mauern; mauern, bis es auffällt, mauern, bis es kracht. Ich kenn’ das. Nichts spricht dagegen, daß es diesmal genauso abläuft....
    Ja, sie wandert trippelnd in diesen vertierten Wanderlatschen. Sie hat einen ungeheuer wichtigen Gang: Anmutige kleine Schritte, viel zu kurz für ihre Körpergröße, und ich frage mich, ob sich ihre Oberschenkel wohl gegenseitig wundreiben. — Sie geht, als hätte sie die Pumps im Kopf. Ich finde das liebenswert.
    Linke Frau, 24 — putzig,

    Ich habe nicht die geringsten Probleme, s------- Straße abzuknutschen, ich habe Lust dazu, sie gefällt mir.
    Nichts sagen. Bloß nicht sagen »ich mag dich« oder sowas — das verpflichtet. Das bindet. Selbst bei den verbindlichsten Absprachen führt das zu schwierigsten Mißverständnissen. Wenn ich sage »ich mag dich« oder noch was Intensiveres, dann muß ich darauf bestehen, daß das nur für jetzt, für den Augenblick gilt. Morgen muß ich das wiederholen; diese Äußerung für sich in den nächsten Tag hinüberzuretten, kann niemandem gestattet werden. Wenn du sowas im Überschwange sagst: es wird dir vorgehalten werden, ich schwöre es. »Aber du hast doch gesagt...!« Ich würde ihr gerne sagen »ich mag dich«, weil es stimmt. Aber weil ich nicht dafür garantieren kann, daß ich es morgen genauso sage, weil ich Schiß habe vor diesem »aber du hast doch gesagt... !« übermorgen, sage ich nichts.
    Natürlich »mag« ich sie morgen auch noch, das ist doch klar, sie wird ja nicht über Nacht zur Feindin. Aber vielleicht »mag« ich sie nicht mehr so wie heute? Was zum Beispiel, wenn sie mich morgen sexuell überhaupt nicht mehr anmacht? Wenn ich sie nicht mehr — äh — sexuell begehre? Dann kann ich ihr auch sagen »ich mag dich«, aber ich mag sie eben nicht mehr »so«. Ich habe noch nie erlebt,

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